Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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30. April 2017

Gedenken anlässlich des 72. Jahrestages der Befreiung am jüdischen Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Dachau | Knobloch: „Es macht mich wütend, dass ’nie wieder!‘ zur hohlen Phrase verkommen konnte.“

München/Dachau, 30.04.2017. Anlässlich des 72. Jahrestages der Befreiung hat Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, bei der Gedenkstunde in der KZ-Gedenkstätte Dachau die Halbherzigkeit kritisiert, „mit der die offenkundigen Fehlentwicklungen und Rückschritte hierzulande und in ganz Europa nicht angemessen entschlossen bekämpft werden“.  Von Politik und Zivilgesellschaft forderte sie mehr Engagement und Ehrlichkeit im Umgang mit dem erstarkenden Antisemitismus.

Aus der Geschichte zu lernen, bleibe die Aufgabe der Heutigen, so die WJC-Beauftragte für Holocaustgedenken. „In diesen Jahren, da die Zeitzeugen als Säulen der Erinnerung wegbrechen, da sich das Schicksal Europas entscheidet und auch die Bundesrepublik vor zentralen Weichenstellungen des 21. Jahrhunderts steht, wünsche ich mir mehr Mut, mehr Wehrhaftigkeit, mehr Leidenschaft für Einigkeit und Recht und Freiheit.“

Vor diesem Hintergrund kritisierte Knobloch, dass der Begriff „Populismus“ verharmlost. „Weder Pegida und Co. noch AfD oder Front National sind Populisten. Der Begriff ist zu schwach, er deckt die gefährlichen Phänomene nicht ab, die unsere Gesellschaften mit Hass und Hetze kontaminieren und die Europäische Union – das Jahrhundert-Friedens-Projekt – zerstören wollen. Nationalismus bleibt Nationalismus. Antisemitismus bleibt Antisemitismus. Rassismus bleibt Rassismus – das blaue Deckmäntelchen kann den braunen Kern der AfD nicht verdecken.“

Es mache sie wütend, so die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, „dass jüdische Menschen gut 70 Jahre nach dem Holocaust wieder Opfer von Ausgrenzung und Anfeindung werden. Dass verbale und tätliche Gewalt gegen jüdische Menschen und Einrichtungen sowie Schändungen von Gedenkstätten und Friedhöfen zum Alltag in Deutschland und ganz Europa werden, dass ‚Jude‘ wieder – wie in meiner Kindheit – ein Schimpfwort auf Schulhöfen oder in Fußballstadien ist.“

Knobloch kritisierte, dass der Nahost-Konflikt immer öfter „auf dem Rücken jüdischer Menschen in Deutschland ausgetragen wird.“ Am Freitag wurde in Berlin eine Protestaktion der lokalen Palästina-Solidarität-Gruppe in unmittelbarer Nähe einer Synagoge zeitgleich zum Gottesdienst genehmigt. Am Ende erreichten die anti-israelischen Agitatoren ihr Ziel nicht. Doch es bleibt die Frage, wie die Stadt zulassen könne, „dass jüdische Menschen im Herzen Berlins nicht ohne Angst in die Synagoge gehen können?“

Knobloch: „Es macht mich wütend, dass der Auftrag ’nie wieder!‘ zur hohlen Phrase verkommen konnte. Dabei warnen wir seit Jahren vor dem Erstarken der antisemitischen Ressentiments. Wir spüren die Folgen der tief verwurzelten antisemitischen Denkmuster in der deutschen Gesellschaft – rechts, links und in der Mitte. Ebenso beklagen wir seit langem, dass der massive Antisemitismus unter hier lebenden Muslimen nicht genügend ernst genommen und angemessen bekämpft wird. Die muslimischen Verbände, Teile der Politik und Gesellschaft haben das Problem zu lange verharmlost oder negiert. Derweil führten gravierende Mängel der Integrationspolitik zu Parallelwelten und -werten.“

Angesichts der antisemitischen Vorfälle in jüngster Zeit und der Befunde im neuen Expertenbericht im Auftrag der Bundesregierung forderte Knobloch noch vor der Bundestagswahl konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Antisemitismus. „Insbesondere ein im Kanzleramt angesiedelter Antisemitismusbeauftragter wäre das ersehnte Signal, dass die jüdischen Menschen mit ihren Sorgen und Warnungen ernst genommen werden und dass der Judenhass nicht allein als Problem der jüdischen Bürger erkannt wird – sondern als Problem der Gesamtgesellschaft.“

 

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Aktuelle Veranstaltungen


Mo. 19.05.2025 | 21. Ijar 5785

Kultur

»Mit dir steht die Welt nicht still«

Beginn 19:00 Uhr:

Lesung mit Melissa Müller
Moderation: Ellen Presser

London, 1951: Nanette und John lernen sich auf einer Party kennen. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, doch Nanette, die mit Anne Frank befreundet war und als Einzige ihrer Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt hat, fürchtet sich vor dem Glück. Fast zwei Jahre schreiben sie sich, kommen sich in Briefen näher – bis sich Nanette entschließt, John nach São Paulo zu folgen.

Die Publizistin und Drehbuchautorin Melissa Müller (»Das Mädchen Anne Frank«; mit Reinhard Piechocki »Alice Herz-Sommer „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“. Ein Jahrhundertleben«; mit Monika Tatzkow u. a. »Verlorene Bilder, verlorene Leben – Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde« u. a. m.) erzählt in ihrem aktuellen Buch »Mit dir steht die Welt nicht still. Eine Liebe nach dem Holocaust« (Diogenes Verlag) von einer historisch verbrieften Liebe, die sich allen Umständen zum Trotz Bahn bricht.

Eintritt 16,- / 10,- Euro; telefonisch auf der ReserviX-Tickethotline 0761/8884 9999

Veranstalter: Stiftung Literaturhaus und Kulturzentrum der IKG München & Obb.

Veranstaltungsort: Literaturhaus, Salvatorplatz 1, 80333 München

Do. 22.05.2025 | 24. Ijar 5785

Kultur

»Erinnerung – Gedächtnis – Kultur: Jüdische Biographien im 21. Jahrhundert«. Ein Podiumsgespräch

Beginn 19:00 Uhr:

Begrüßung: Dr. Daniel Baumann, Leiter des Stadtarchivs

Einleitung und Moderation: Prof. Dr. Andrea Sinn, Associate Professor of History, Elon University

Biografien sind nicht nur von anhaltendem öffentlichem Interesse; vielmehr bleibt die biografische Forschung ein wichtiger Ansatz, der neue Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur in der Neuzeit bieten kann. Tatsächlich scheinen die Relevanz der biografischen Forschung und ihre Bedeutung für die Gestaltung von Erinnerung, Gedächtnis und Kultur sogar zugenommen zu haben. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung bietet das Podium Einblicke in aktuelle Forschungs- und Vermittlungsprojekte, hinterfragt die Bedeutung von Quellen und öffentlichem Raum, und diskutiert die Darstellung und Verwendung jüdischer Biografien im 21. Jahrhundert.

Podiumsgespräch mit:
Prof. Dr. Philipp Lenhard, Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München
Anton Löffelmeier, M.A., Stadtarchiv München
Ellen Presser, Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb.
Dr. Björn Siegel, Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ)
Dr. Maximilian Strnad, Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München

Eintritt frei, wegen begrenzter Platzzahl Anmeldung unbedingt erforderlich unter https://eveeno.com/488804931 oder telefonisch (089) 2180 5570

Kooperationspartner: College of Arts and Sciences, Elon University/NC, USA; Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ); Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb-; Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München; Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München und Stadtarchiv München

Veranstaltungsort: Rotunde des Stadtarchivs, Winzererstraße 68

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