Die jüdischen Hohen Feiertage
Rosch Haschana
Rosch Haschana („Kopf des Jahres“) ist das jüdische Neujahrsfest am 1. und 2. Tischri. Anders als Silvester, das ausgelassen mit Champagner und Feuerwerke gefeiert wird, ist Rosch Haschana ein ernster Feiertag. Die Tora spricht auch nicht von Neujahr oder Rosch ha-Schana, ebensoweinig wie in den Gebeten dieses Festes kaum davon die Rede ist. Im Festsegen etwa heißt es „Tag der Erinnerung“ oder „Tag des Posaunenschalls“.
Erinnerung an den Bund
Der Kern des Neujahrsfestes liegt in der Erinnerung an den Bund, der zwischen G-tt und Israel geschlossen wurde und der für die Israeliten eine sittliche Forderung und Verpflichtung darstellt. Der Tag soll dazu dienen, die Menschen zu veranlassen, in sich zu gehen, sich vom Bösen abzuwenden und gut zu handeln. Rosch ha-Schana ist der Tag, an dem der Mensch Rechenschaft über sein Tun ablegen und sich seiner moralischen Pflichten bewußt werden soll.
Der Schofar
Als äußeres Instrument, den Menschen an seine moralischen Pflichten zu erinnern, dient die Posaune, der Schofar. Das ist ein Widderhorn, das im Morgeng-ttesdienst nach der Tora- und Prophetenlesung sowie an mehreren Stellen des Zusatzgebetes in festgelegten Tonfolgen geblasen wird (außer wenn der Festtag auf einen Schabbat fällt).
In vielen Gemeinden ist es Brauch, den Betraum für den Neujahrsg-ttesdienst besonders feierlich auszugestalten. Um die Erhabenheit des Tages zu betonen, pflegt in der Synagoge die weiße Farbe vorzuherrschen. Der Vorhang vor dem Toraschrank, die Decke auf dem Vorbeterpult und die Kleidung des Vorbeters sind weiß, im Gegensatz zu dem sonst Üblichen.
Rosch ha-Schana wird überall zwei Tage gefeiert, auch in Israel, wo bei den übrigen Festen die zweiten Tage entfallen. Der Kultus ist im wesentlichen an beiden Tagen identisch.
Die häusliche Feier des Neujahrstages besteht darin, daß dem Kiddusch und dem Segensspruch über das Brot noch ein Segen über Baumfrüchte angefügt wird. Man nimmt dazu einen Apfel, den man vor dem Verzehr mit Honig bestreicht, wobei man dem Wunsch Ausdruck verleiht, das neue Jahr möge gut und süß werden. Die Brote für das Neujahrsfest sind nicht wie sonst geflochten und länglich, sondern es ist üblich, rund gewickelte Weißbrote zu verwenden, um auf diese Weise den Jahreskreislauf zu symbolisieren.
Tag des Gerichts
Rosch Haschana ist auch der Tag des Gerichts. Das Urteil, das der Allmächtige fällt, bezieht sich nur auf die Dinge dieser Welt: ob der Mensch es verdient, in Frieden zu leben, oder ob er leidet, oder gar sterben muss. An Rosch Haschana soll der Mensch auch seinen Sinn auf das Gebet richten, hauptsächlich auf die Herrschaft des Erhabenen und auf Anliegen der Gemeinschaft, mehr als auf persönliche Bitten. Die ganze Menschheit soll vom Richter einen Freispruch erhalten und der Weltfriede soll einkehren.
An Rosch Haschana soll keinerlei Arbeit verrichtet werden – das gilt im Übrigen auch für alle anderen Feiertage und natürlich auch den Schabbat. Alle Handlungen aus dem Alltag wie Schreiben, Fahren, Telefonieren, Radio hören, Fernsehen und kochen, sind an diesen Tagen untersagt.
Jom Gedaljia – Fasten Gedaljja
Zom Gedaljia ist ein Fastentag am 3. Tischri, dem Tag nach dem zweiten Tag Rosch Haschana. Mehr …
Jom Kippur
Der Versöhnungstag
Zehn Tage nach Rosch Haschana (die zehn Bußtage) beginnt der wichtigste Tag des jüdischen Jahres, der höchste jüdische Feiertag: der Versöhnungstag „Jom Kippur“. An ihm wird nach talmudischer Tradition das Urteil über den Menschen, das am Neujahrsfest, dem Tag des Gerichts, gefällt wurde, besiegelt und bekommt damit Gültigkeit. Der Versöhnungstag soll dazu dienen, den Menschen zu entsühnen, ihn die g-ttliche Verzeihung für seine Missetaten erlangen zu lassen. So ist der Versöhnungstag ein Tag der Reue, der Buße und Umkehr.
Der Mensch steht vor dem Angesicht des Allmächtigen. Im Gebet muss er Rechenschaft ablegen für Vergehen gegenüber G-tt, gegenüber sich selbst oder gegenüber anderen Menschen.
Kol Nidre
Der Abendg-ttesdienst, der noch bei Tageslicht beginnt, wird nach den Anfangsworten der ihn einleitenden Formel Kol Nidre (alle Gelübde) genannt. Dieser Text besteht in einer Erklärung, daß alle Gelübde und Schwüre null und nichtig sein sollen. Am Versöhnungstag dauert der Gottesdienst den ganzen Tag lang. Zu dem Morgengebet, dem festtäglichen Zusatzgebet und dem Nachmittagsgebet kommt noch ein nur an diesem Tag übliches Schlußgebet, an das sich dann nach Einbruch der Nacht das werktägliche Abendgebet und die Hawdala anschließen.
Im Anschluß an den G-ttesdienst pflegt dann noch der Mondsegen im Freien stattzufinden, der im Tischri mindestens bis zu diesem Termin verschoben wird. Die Mahlzeit, die man nach dem langen Fasten einnimmt, wird als „Anbeißen“ bezeichnet; sie trägt einen festlichen Charakter, und man wünscht sich gegenseitig ein gutes Jahr und gute Besiegelung.
Fünf Entbehrungen …
… muss ein Jude an Jom Kippur machen: Essen, Trinken, Salben oder Waschen, Tragen von Lederschuhen und den ehelichen Verkehr. Diese fünf Entbehrungen entsprechen den fünf Büchern Moses, die die Juden angenommen haben und deren Gebote und Verbote (hebr. Mizwot) der gläubige Jude zu erfüllen versucht, auch ohne die Annehmlichkeiten körperlichen Wohlbefindens. Ebenso entsprechen sie den fünf Sinnen des Menschen, mit denen der Mensch sowohl die Mizwot erfüllt oder die g“ttlichen Gesetze übertritt. Lediglich kranke Menschen, welche aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten können oder schwangere Frauen, bei denen das Fasten für das ungeborene Kind eine Gefahr sein kann, sind von dieser Pflicht befreit.
Es wird auffallen, dass am Tage des Jom Kippur in der Synagoge alle Männer weiss gekleidet sind. Mit dieser Tradition will man wie die diensthabenden Engel von dem Allmächtigen erscheinen. Man trägt weisse Kittel, sogenannte Totenhemden, die an den Tag des Todes erinnern sollen. Goldene Verzierungen sind verboten, da diese an das goldene Kalb erinnern. Silberne Verzierungen hingegen sind gestattet, denn Silber ist wie weiss, und weiss ist das Symbol für Gnade.
Strenges Fasten
Jom Kippur ist ein strenger Fasttag. Von Beginn des Festes am Vorabend bis zu seinem Ausgang am Abend sind weder Essen noch Trinken erlaubt. Auch jegliche Körperpflege, mit Ausnahme des Benetzens der Hände und Augen mit Wasser, ist untersagt. Bevor man sich am Vorabend des Festes in die Synagoge begibt, entzündet man zu Hause ein Licht zum Andenken an seine verstorbenen Angehörigen, das 24 Stunden brennen soll. Manche pflegen auch eine Kerze im Vorraum der Synagoge aufzustellen. Es ist allgemein üblich, daß der Vorhang vor dem Toraschrank und die Decke auf dem Vorbeterpult weiß sind; auch die Torarollen befinden sich in weißen Hüllen. Die Betenden pflegen weiße Kleidung und eine weiße Kopfbedeckung zu tragen.
Jiskor
Am späteren Nachmittag des Jom Kippur Tages wird an die Verstorbenen gedacht (Seelengedenkfeier). Dabei erinnert man sich im Gebet an verstorbene Verwandte, an die Opfer der Massenvernichtung des Zweiten Weltkrieges und an die in Israels Kriegen Gefallenen. Juden. Deren beide Elternteile noch leben, müssen diese Gebete nicht sprechen.
Der Feiertag endet – wie zu Beginn gesagt – mit dem völligen Eintritt der Nacht. Ein Schofarton (Ton aus dem Widderhorn) kündigt das Ende des Feiertages und auch der Fastenzeit an. Die Himmelstore werden geschlossen, das wahre und gerechte Urteil durch den Herrn ist gesprochen, und das Einschreiben in das g“ttliche Buch ist erfolgt.
In Kürze: Die „Hohen Feiertage“ sind biblischen Ursprungs. Sie markieren den Anfang und den Abschluss der Zehn Busstage. Sie fallen auf den Jahresanfang im September. Rosch Haschana (Jahresanfang) werden die ersten beiden Tage des Jahres genannt. An ihnen wird das Widderhorn (Schofar) geblasen, das als eigenes Gebot in den Fünf Büchern Mose figuriert. Rosch Haschana enthält wie die ganzen Busstage aber auch den Aspekt der Reue für begangene Sünden bzw. der Rückkehr zu Gott (Teschuwa). Am Ende der Zehn Busstage steht der Jom Kippur (Versöhnungstag). An ihm wird der Prozess der Rückkehr zu Gott zu Ende geführt. Am Jom Kippur wird der ganze Tag dem Gebet gewidmet und weder getrunken noch gegessen sowie der Sexualverkehr unterlassen. Auch das Waschen wird an diesem Tag auf die minimalen Hygienebereiche reduziert. Observante Juden tragen an diesem Tag auch keine Lederschuhe.
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Aktuelle Veranstaltungen
Di. 10.12.2024 | 9. Kislew 5785
Kulturzentrum
„In der Feuerkette der Epoche“: Friederike Heimann in Zwiesprache mit Gertrud Kolmar
Beginn 19:00Dienstag, 10. Dezember 2024, 19 Uhr
Gertrud Kolmar, geboren 1894 in Berlin, ermordet 1943 in Auschwitz, gilt heute als eine der bedeutendsten deutsch-jüdischen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts mit einem Werk von tiefgründiger, besonderer Schönheit. Sei es das „Wort der Stummen“ oder „Tierträume“, seien es die vielen weiblichen Außenseiterfiguren in „Weibliches Bildnis“ oder aber ganze poetische „Welten“, die Kolmar in ihren Gedichten erschafft – immer wieder ergeben sich neue, ungewöhnliche, oft überraschend aktuelle Perspektiven. So öffnet sich ein poetischer Raum zu einem nie abreißenden Gespräch, das die Dichterin heute wieder gegenwärtiger denn je erscheinen lässt. Friederike Heimann hat mit ihrem Buch »In der Feuerkette der Epoche« ein ebenso umfassendes wie berührendes Porträt Gertrud Kolmars vorgelegt – sie begibt sich in Zwiesprache mit der Dichterin und ihrem Werk. Weiterlesen »
Mi. 11.12.2024 | 10. Kislew 5785
Kultur
„Der ganzen Welt benachbart“ mit Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova
Beginn 19:15Mittwoch, 11. Dezember 2024, 19:15 Uhr
Vorstellung einer jiddistischen Buchreihe mit Lesung mit Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova
Jiddistik Edition & Forschung blickt mit zehn Publikationen auf zwölf ertragreiche Jahre zurück. Diese Reihe ist heute weltweit die einzige, in der moderne jiddische Literatur in wissenschaftlichen Editionen veröffentlicht wird. Sie setzt damit die lange unterbrochene Tradition des jiddischen Buchdrucks im deutschen Sprachraum fort. Mit Beiträgen zu Sprache, Literatur, Kultur und Geschichte präsentieren die Sammelbände eine breite Palette jiddistischer Forschung der Gegenwart. Die Anthologien legen facettenreiche Textsammlungen moderner jiddischer Lyrik, Prosa und Essays erstmals in standardisierter Schreibweise vor. Die Reihe zeichnet sich durch drei Publikationssprachen aus: Deutsch, Englisch und Jiddisch; das Jiddische wird konsequent in hebräischer Schrift vorgelegt. An diesem Abend stellen zwei aus dem Herausgeberteam neue Veröffentlichungen der Reihe vor. Von besonderem Interesse für Studierende und für Freunde des Jiddischen sind eine Anthologie jiddischer Erzählungen, eine Anthologie jiddischer Essays und die Neuedition der herausragenden Grammatik von Elye Falkovitsh. Weiterlesen »
Israelitische Kultusgemeinde
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