Pressemitteilung
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9. November 2015
Gedenken an den 9. November 1938 im Alten Rathaus
München, 9.11.2015. München gedachte auch an diesem 9. November der Münchnerinnen und Münchner, die in der „Reichskristallnacht“ 1938 und in den darauf folgenden Jahren entrechtet, deportiert und ermordet wurden.
Am Abend hat im Saal des Alten Rathauses – an jenem historischen Ort, von dem aus vor 77 Jahren mit der Hetz-Rede von Joseph Goebbels die „Reichskristallnacht initiiert wurde – die zentrale Gedenkfeier zum 9. November 1938 stattgefunden. In den Reden von Oberbürgermeister Dieter Reiter (PDF-Download) und Dr. h.c. Charlotte Knobloch (PDF-Download), Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, spiegelt sich die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation wider – insbesondere das Erstarken der rechtsradikalen Kräfte in Deutschland, der Zulauf bei rechtspopulistischen Demonstrationen wie von Pegida und Co.
Tagsüber hatte das Verwaltungsgericht München das von der Stadt erlassene Verbot der Pegida-Demonstration an der Münchner Freiheit aufgehoben. Dazu Charlotte Knobloch: „Es ist mir völlig unverständlich und ich bin regelrecht verzweifelt. Unsere Rechtslage ist offensichtlich nicht geignet, unsere Demokratie wehrhaft gegen ihre Feinde zu verteidigen. Dass 77 Jahre nach dem 9. November 1939 Rechtspopulisten und Neonazis durch unsere Straßen marschieren und irhe Ideologie verbreiten, ist die Demontage der freiheitlich-demokratischen Werte. Das bildet die Stimmung, aus der heraus Gewalt und verachtung geboren werden.“
In ihrer Rede sagte Knobloch, Deutschland stehe vor einer historischen Herausforderung. Die Stimmung sei aufgeheizt. „Übergriffe mit rechtsextremem Hintergrund steigen von Woche zu Woche. Die Kulisse liefern Pegida und Co. Auch zur Stunde marschieren sie – an diesem 9. November – bundesweit. Auch in München. Das ist mir unbegreiflich. Seit Wochen besetzen die braunen Brandstifter sensible historische Orte, um widerliche Lügen und Thesen zu proklamieren. Der Gipfel der Unerträglichkeit war die Erstürmung der Feldherrnhalle durch Neonazis in einschlägiger Pose und die höhnische Kranzniederlegung am Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Als wäre es gestern gewesen, haben sich mir die Erinnerungen an den 9. November 1938 in meine Seele eingebrannt – sehe ich um mich herum die Bilder meiner verlorenen Heimat, in der die Synagoge brennt und geliebte Menschen aus ihren Wohnungen gezerrt, geschlagen und getreten werden. Diese Bilder, diese Angst der jüdischen Menschen kann ich nicht vergessen. Deswegen ist es mir unbegreiflich und ich will es nicht hinnehmen, dass den heutigen Anfängen, die unübersehbar sind, nicht gewehrt wird.“
Lesen Sie die Rede im vollständigen Wortlaut hier (PDF-Download).
Dr. Andreas Heusler (PDF-Download), Leiter der Sachgebiete Zeitgeschichte und jüdische Geschichte beim Stadtarchiv München, referierte zum Thema „Der Wandel des Gedenkens an den 9. November 1938 seit Kriegsende“.
Am Nachmittag waren beid er diesjährigen öffentlichen Namenslesung am Gedenkstein der ehemaligen Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße die namen sowie kurze Biographien von Menschen verlesen worden, die der nationalsozialistischen „Schutzhaftaktion“ nach dem 9. November 1938 zum Opfer gefallen waren. Die Lebensgeschichten dieser Menschen und ihrer Familien zeugen davon, wie tief vewurzelt sie in der Münchner Stadtgesellschaft waren. Ihr Leben nahm mit dem 9. November 1938 eine unumkehrbare Wendung. Wie es ihnen und ihren Lieben erging, daran erinnerte die Lesung am 9. November 2015.
Hintergrund
„Reichskristallnacht“ – das Wort steht für eingeworfene Schaufenster von Geschäften jüdischer Eigentümer. Diese Zerstörungen waren jedoch nur die äußerlich sichtbaren Spuren der nationalsozialistischen Aggression. Dahinter verbirgt sich weit mehr. „Kristallnacht“, das bedeutet auch und vor allem: geplante und spontane Gewaltausbrüche und Mordaktionen gegen menschen – also: Terror jenseits materieller Zerstörungen.
Der Kaufmann Joachim Both wurde in der Lindwurmstraße kaltblütig ermordet. Etwa 1.000 Männer aus München wurden als „Aktions-Häftlinge“ in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Über 30 von ihnen kamen nachweislich ums Leben. 22 jüdische Münchnerinnen und Münchner nahmen sich in diesen Tagen das Leben; für sie war Suizid ein letzter, verzweifelter Ausweg.
77 Jahre danach erinnert die Namenslesung an jene Menschen, die durch das Novemberpogrom ihr Leben verloren. Sie wurden entrechtet und verfolgt, gedemütigt und beraubt. Sie wurden in das nahegelegene Konzentrationslager Dachau verschleppt und ermordet, andere wurden in den Suizid getrieben. Auch ihre Familien waren Leidtragende der Gewalt. Selbst wenn sie sich ins Ausland retten konnten, so blieben doch die traumatisierenden Erfahrungen von Staatsterror, von Schutzlosigkeit und der schmerzhafte Verlust nahestehender Menschen. Sie alle waren Bürger dieser Stadt. Wir wollen ihrer gedenken und ihre Namen nennen.
Veranstalter: Arbeitsgruppe „Gedenken an den 9. November 1938“
Eine Kooperation von: BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung, „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ – regionale Arbeitsgruppe München, Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern K.d.ö.R., Kulturreferat der Landeshauptstadt München, NS-Dokumentationszentrum München, Stadtarchiv München, Stiftung Bayerische Gedenkstätten
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„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel
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Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786
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Vorträge (je 30 Minuten)
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- 21:45 Uhr: Ellen Presser
21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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