Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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3. Dezember 2015

Zeichen für ein Miteinander

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und der Gemeindevorstand besuchen Flüchtlinge. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen, 3.12.2015. Mit dem Besuch eines Flüchtlingsheims im Stadtteil Haidhausen hat die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern einen wichtigen Schritt zum Abbau von Ängsten und Vorurteilen getan.

Charlotte Knobloch bei ihrem Besuch der Flüchtlingsunterkunft in München-Haidhausen am Freitag vergangener Woche. Foto: Marina Maisel

Wie wichtig der Termin vonseiten der IKG eingestuft wurde, zeigte sich auch daran, dass der größte Teil des Vorstands an dem Besuch am Freitag vergangener Woche teilnahm: Präsidentin Charlotte Knobloch, Vizepräsident Michael Fischbaum, Maurice Brodski, Maria Druker, Silly Kalmanowicz, Guy Katz, Marian Offman, Abi Pitum und Vera Szackamer.

Integration in die liberale Wertegemeinschaft

Über den großen Zuspruch zeigte sich die IKG-Präsidentin sehr erfreut: »Alle, die es irgendwie zeitlich ermöglichen konnten, sind gekommen.« Im Beisein der Vizepräsidentin der Regierung von Oberbayern, Maria Els, und des Leiters der Abteilung Integration des Sozialministeriums, Ministerialdirigent Eugen Turi, erläuterte Charlotte Knobloch die Intention dieses Besuchs. »Wir wollen hier ein Zeichen für ein friedliches Miteinander setzen, ein Zeichen, das dringend nötig ist«, sagte sie und räumte ohne Umschweife und mit bemerkenswerter Selbstkritik ein, dass Ängste und Vorurteile wohl auf beiden Seiten vorhanden seien.

Die IKG-Präsidentin erinnerte in diesem Zusammenhang aber auch daran, dass in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens, aus denen Flüchtlinge nach Deutschland kommen, Hass gegen Juden in jeglicher Form zur Staatsräson gehört. Dies dürfe bei der Integration in den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, zu dem auch die Religionsfreiheit gehöre, nicht aus dem Blick verloren werden.

Begriffe wie »Flüchtlingsobergrenze« oder »Kontingente« nahm Charlotte Knobloch aber nicht in den Mund. Es gehe darum, die Flüchtlinge in die Gesellschaft einzubinden, indem man ihnen Miteinander und Toleranz vorlebe. »Wenn wir die Gelegenheit haben, aufeinander zuzugehen, müssen wir sie auch nutzen«, betonte sie.

Deutschland als Zufluchtsort

In der Gemeinschaftsunterkunft leben, auf fünf Stockwerke verteilt, 70 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern (Afghanistan, Albanien, Somalia, Irak) und mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund. Es sind Einzelpersonen darunter, vornehmlich sind es aber Familien, die hier übergangsweise eine Zufluchtsstätte, eine neue Heimat, gefunden haben. »Etwa ein Drittel der Menschen, die hier leben, sind Kinder«, informierte Heimleiterin Silke Holl die Besucher.

Ihren Worten zufolge klappt das Zusammenleben in dem Gebäude, das renoviert und nach einer kurzen Pause vor einem halben Jahr wieder in Betrieb genommen wurde, völlig reibungslos. Auch die Integration der Flüchtlinge, die im sozialen Netz aufgefangen würden, zeige erkennbare Fortschritte. »Alle Kinder besuchen einen Hort, einen Kindergarten oder die Schule«, erklärte Silke Holl.

Bei IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch rief das Heim in Haidhausen Erinnerungen an die 90er-Jahre wach, als viele Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach München kamen. »Damals war das Haus auch für diese Menschen die erste Unterkunft, weil Wohnungen nicht gleich zur Verfügung standen. Inzwischen sind aus den Bewohnern von damals Münchner Bürger geworden«, blickte sie zurück.

Nicht mit leeren Händen gekommen

Die Besucher der Israelitischen Kultusgemeinde sind nicht mit leeren Händen gekommen. Sie haben Musikinstrumente mitgebracht, eine Magnettafel für den Deutschunterricht, einen Beamer, mit dem deutschsprachige Filme gezeigt werden und beim Erlernen der Sprache behilflich sein sollen. »Die Sprache zu erlernen, ist auf dem Weg zur Integration das Wichtigste«, erklärte Charlotte Knobloch und stieß damit auf einhellige Zustimmung, auch bei der Vizepräsidentin der Regierung von Oberbayern und beim Ministerialdirigenten im Sozialministerium, Eugen Turi.

Es ist 12 Uhr an diesem Freitagmittag, als die Kinder nach und nach aus dem Kindergarten und der Schule ins Heim zurückkommen und es mit Leben erfüllen. Die IKG-Präsidentin sitzt kurze Zeit später auf einem der niedrigen Kinderstühle im Spielzimmer, neben ihr der kleine, achtjährige Faisal aus Afghanistan. Mit der Mundharmonika, die zu den mitgebrachten Geschenken zählt, kann er zunächst nichts anfangen. So ein Musikinstrument hat er noch nie gesehen.

Charlotte Knobloch zeigt ihm, wie er der Mundharmonika Töne entlocken kann, und zaubert schnell ein fröhliches Lachen auf sein Gesicht. Durch die Musik werden die anderen Kinder angelockt, bald tönt die Mundharmonika durchs ganze Haus. Von Ressentiments, Berührungsängsten und Vorbehalten ist nichts zu spüren, auch nicht in den Gesprächen, die die IKG-Präsidentin mit den Eltern der Kinder und anderen erwachsenen Bewohnern führt. Charlotte Knobloch verspricht, wiederzukommen und bei Bedarf erneut zu helfen. Heimleiterin Holl bringt den Besuch des IKG-Vorstandes auf einen einfachen Nenner: »Sie haben heute ihr Herz mitgebracht!«

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