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19. November 2012

Wie der Iran der Hamas bei der Aufrüstung half

Mit umfassender Unterstützung aus Teheran und aus dem Sudan wurde aus der Miliz eine schlagkräftige Armee. Moderne Raketen wurden in Einzelteilen geliefert und im Gazastreifen zusammengebaut. Von Ethan Bronner, New York Times 2012. Aus dem Englischen von Jens Wiegmann, erschienen in der Welt vom 19.11.2012.

As die Israelis am vergangenen Mittwoch den Hamas-Militärchef im Gazastreifen töteten, war ihr Ziel nicht irgendein Palästinenserführer, sondern eine Nachschublinie an Raketen aus dem Iran, die der Hamas erstmals einen Beschuss bis nach Tel Aviv und Jerusalem erlaubten. Ahmad al-Dschabari hat die Hamas in eine disziplinierte Kampftruppe mit hochwertigen Waffen wie der Fadschr-5 – persisch für Morgendämmerung – verwandelt. Die Rakete wird von gut ausgebildeten Crews abgefeuert und hat eine Reichweite von etwa 70 Kilometern. Die Hamas hatte etwa 100 von ihnen, vermutlich wurden die meisten durch die jüngsten Angriffe der israelischen Armee zerstört.

Iran –> Sudan –> Ägypten –> Gazastreifen

Die Fadschr-5 wurden nach Informationen des israelischen Geheimdienstes vor Ort zusammengebaut, nachdem sie vom Iran über den Sudan und per Lkw nach Ägypten geliefert, dort in Einzelteile zerlegt und durch unterirdische Tunnel in den Gazastreifen gebracht wurden. Demnach gehören zu diesem Transportweg Hamas-Mitarbeiter auf jeder Etappe, iranische Experten, die mit gefälschten Pässen reisen, und die Unterstützung der sudanesischen Regierung. Von israelischer Seite heißt es, der Transport von Fadschr-5-Raketen durch Ägypten könne nicht unbemerkt geschehen sein: Jede ist mehr als sechs Meter lang und wiegt fast eine Tonne – allein der Sprengkopf kommt auf 170 Kilogramm. Die Lastwagen wären auf ihrer Fahrt durch Ägypten, über Brücken und durch Straßensperren auf dem Weg an die Grenze zum Gazastreifen, kaum zu übersehen gewesen.

Eigene Rüstungsproduktion im Gazastreifen

Dschabaris Strategie war offenbar so erfolgreich, dass in Israel auch die Option einer Bodenoffensive diskutiert wird, um sicherzugehen, dass wirklich alle Abschussrampen, Munition und Crews außer Kraft gesetzt werden.  Unter Dschabari hat die Hamas im Gazastreifen auch ihre eigene Rüstungsproduktion aufgebaut, zur Herstellung von Langstreckenraketen und Drohnen. Die aktuelle Militäraktion Israels könnte auch dem Ziel dienen, die Vergeltungsmöglichkeiten der iranischen Verbündeten im Gazastreifen zu reduzieren, falls Israel die Atomanlagen des Iran angreifen sollte. „Sowohl die Hamas als auch der Islamische Dschihad bauen Waffen mit Hilfe aus dem Iran. Worum wir uns am Freitag gekümmert haben, war deren eigene Produktionsstätte für Drohnen“, sagt ein führender israelischer Sicherheitsexperte, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Das war alles die Arbeit von Dschabari, er war sehr raffiniert und ein strategischer Denker.“

Israel will Nachschubkette unterbrechen

Mehrere israelische Militäroperationen in letzter Zeit hatten das Ziel, die Nachschubkette in den Gazastreifen zu unterbrechen. Ende Oktober wurde eine Munitionsfabrik im Sudan aus der Luft angegriffen. Israel hat das nicht offiziell bestätigt, aber kleine Hinweise von offizieller Seite machten klar, dass diese Attacke, wie auch andere auf Konvois im Sudan in den vergangenen Jahren von der israelischen Luftwaffe durchgeführt wurde. Anfang 2010 töteten Mossad-Agenten zudem einen Hamas-Agenten in einem Hotel in Dubai, weil er eine wichtige Rolle bei der Lieferung von Waffen in den Gazastreifen gespielt haben soll. Bis zum Abzug der Israelis aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 existierten dort nur einfachste Waffenfabriken.

Ansehnliches Waffenarsenal

Die Raketen hatten eine Reichweite von gut anderthalb Kilometern und zeichneten sich durch spiralförmige Flugbahnen aus. Die nächste Generation flog etwa 20 Kilometer weit. Daran änderte sich wenig, bis die Hamas vor fünf Jahren die Macht in dem Landstrich übernahm. „Von da an machte Dschabari aus einer unprofessionellen Truppe eine schlagkräftige Armee“, erklärt ein pensionierter israelischer General, der anonym bleiben möchte. „Er organisierte die Miliz, führte Kompanien, Bataillone und Brigaden ein. Er schickte Kommandeure nach Syrien und in den Iran, wo sie von den Revolutionsgarden ausgebildet wurden. Und dann baute er eine neue Abteilung für Militärtechnologie auf, die sich auf Langstreckenraketen konzentrierte.“

Wer wird Dschabaris Nachfolger?

Aus israelischer Sicht ist nun interessant, ob der Tod Dschabaris die Hamas nachhaltig geschwächt hat oder ob jemand mit den gleichen Fähigkeiten nachrückt. In jedem Fall habe die Hamas jetzt ein ansehnliches Waffenarsenal, sagt Jeffrey White, ehemals beim militärischen Geheimdienst der USA und heute Mitarbeiter des Washington Institute für Nahost-Politik. Nach seiner Einschätzung hat die Hamas neben möglicherweise unzerstörten Fadschr-5-Raketen einige Hundert weiterentwickelte Grad-Raketen mit gut 40 Kilometer Reichweite. Sie haben größere Sprengköpfe als die herkömmlichen Grads, ihre Treffergenauigkeit ist jedoch gering. Sie könnten ebenfalls aus dem Iran stammen, sagt White, aber einige seien auch im Gazastreifen hergestellt oder aus Libyen importiert worden. Hinzu kämen Hunderte alter Grads, die etwa 20 Kilometer weit fliegen, und Tausende von Mörsergranaten und Kassam-Raketen, die Ziele in zehn Kilometer Entfernung erreichen können.

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