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25. August 2017

Rechte Rolle rückwärts? – die AfD ist eine Gefahr für unser Land

Charlotte Knobloch zu den 25. Jahrestagen der rechtsextremen Exzesse in Rostock-Lichtenhagen. In diesen Tagen jähren sich die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen zum 25. Mal. Die Bilder der massivsten rassistischen Angriffe seit 1945 sind unvergessen. Die Exzesse haben die Republik schockiert. Doch wie nachhaltig wurden Konsequenzen gezogen? Wie wachsam, wie wehrhaft präsentiert sich unsere freiheitlich-demokatische Gesellschaft heute? 

An den Gewaltaktionen gegen die Aufnahmestelle für Asylbewerber und das Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter beteiligten sich im Jahr 1992 mehrere hundert Randalierer. Bis zu 3000 Zuschauer applaudierten, behinderten Polizei und Feuerwehr. Auch heute brennen Flüchtlingseinrichtungen, werden jüdische Einrichtungen und Menschen angegriffen, Rechtsextreme attackieren Politiker und Journalisten. Neonazis marschieren auf und huldigen Nazi-Größen, wie jüngst in Berlin-Spandau zu Ehren von Rudolf Heß.

Auch in Bayern verherrlichen rechtsextreme Kameradschaften und Parteien wie „Die Rechte“ oder „Der III. Weg“ in ihren Kundgebungen und Flugblättern den Nationalsozialismus, leugnen den Holocaust, hetzen gegen Ausländer, Juden, Homosexuelle, Behinderte, Menschen anderer Hautfarbe oder Religion. Pegida und Co. machen Tag für Tag, Woche für Woche sichtbar, wie verwurzelt und unausrottbar rechtsradikales Denken – noch immer – ist. Das Internet dient als Brandbeschleuniger und Werkzeug zur Mobilisierung. Faktisch haben Gewalt und Grausamkeit im Netz keine Grenze. Dort findet sich jede Form verbaler und gedanklicher Verrohung.

Ungefiltert verbreiten sich Hass und Verachtung viral, immer öfter bahnt sich die Brutalität den Weg aus der digitalen in die reale Welt. In den letzten Jahren hat sich eine spürbare Radikalisierung in der politischen und gesellschaftlichen Debatte niedergeschlagen. Erschreckend schnell und massiv wurde extremes Denken bis in die Mitte der Gesellschaft salonfähig. In ganz Europa haben populistische Bewegungen und Kampagnen viele Anhänger. In den Niederlanden und in Frankreich wurden sie vorläufig gebremst, in Großbritannien haben sie den Brexit – einen folgenschweren Einschnitt in das Friedensprojekt EU – bewirkt.

In Deutschland zeigt sich dieser Trend im erschreckenden Erfolg der AfD. Mit nationalistischen, völkischen, geschichtsrevisionistischen Thesen und Tiraden zog die rechtsextreme Partei mühelos in 13 Landtage ein und wird wohl im nächsten Bundestag sitzen – aller rassistischer und antisemitischer Exzesse, juristischer und politischer Skandale zum Trotz. Vier Wochen vor der Wahl kann die AfD im Deutschlandtrend von Infratest Dimap deutlich zulegen und wäre mit diesem Ergebnis sogar drittstärkste Kraft (www.welt.de).

Jenen, die die AfD noch immer verharmlosen sei gesagt: Diese Partei will und kann unser Land nachhaltig zum Negativen verändern. Sie ist eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft, unsere Führungsrolle in Europa und unser hohes Ansehen in der Welt. Ohne Zweifel: Auch der radikale Islam, islamistischer Terror und linksextreme Fanatiker sind eine Bedrohung für unser Gemeinwesen. Aber den systematischen Marsch durch die Institutionen praktiziert gegenwärtig vor allen die AfD.

Wer die historische Rolle rückwärts verhindern will, sollte nicht nur in diesen Tagen an Lichtenhagen denken. Es empfiehlt sich auch, wieder öfter ein Geschichtsbuch aufzuschlagen und über den Auftrag „Wehret den Anfängen!“ nachzudenken. Auch die Politiker und Juristen, die Neonazi-Aufmärsche dulden, seien an das „nie wieder!“ erinnert. Es steht einer Gesellschaft ohne Tabus entgegen. Wenn Meinungs- und Versammlungsfreiheit ohne Grenzen gewährt werden, erwachen die alten, mörderischen, zerstörerischen Dämonen aus ihrem ohnehin leichten Schlaf. Täglich werden sie beschworen, auch am 24.9. – gehen Sie wählen, wählen Sie demokratisch!

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