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6. Juni 2012

„Neue Generation von al-Qaida ist noch radikaler“

Von Daniel-Dylan Böhmer, erschienen auf Welt Online. Al-Qaida-Experte Rahimullah Yusufzai sieht nach der Tötung von al-Qaidas Nummer zwei einen Generationswechsel im Terrornetzwerk. Die neuen Kämpfer seien noch radikaler und ideologisierter.

Der Coup hatte eine gewisse Ironie, denn die Drohnenkrieger der USA wendeten eine Taktik an, mit der gerade Anschlagsplaner der al-Qaida die Opferzahlen zu vervielfachen gelernt haben – ein erster Schlag, der Schaulustige und Helfer anlockt, dann ein zweiter, der sie alle in den Tod reißt. So ähnlich soll nach Informationen von Welt Online auch der Angriff vom Montag im Dorf Suhail nahe Miranshah im pakistanischen Stammesgebiet Nord-Waziristan abgelaufen sein.

Ein unbemannter Flugkörper zerstörte mit einer Rakete ein Haus. Die Dorfbewohner liefen nach einer Schrecksekunde zum Ort des Einschlages, auch die Kämpfer der al-Qaida, die sich mit dem Vize-Chef des Terror-Netzes in Suhail aufhielten: Abu Jahja al-Libi – Feldkommandeur, Prediger und Internet-Propagandist der Organisation und die Nummer zwei hinter deren Chef Aiman al-Sawahiri.

Etwa eine Viertelstunde nach dem ersten Treffer raste die zweite Luft-Boden-Rakete in die Menge. Mindestens zehn Menschen starben. Libi konnte noch in ein Krankenhaus in Miranshah gebracht werden, dort starb er. Dass sie wirklich ihr Ziel getroffen hatten, erfuhren die Terrorbekämpfer der CIA nur durch abgefangene Funksprüche und Telefongespräche: „Der Scheich ist tot“, so gaben es die Kämpfer im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet weiter. Mit diesem Ehrennamen für einen geachteten Theologen konnte nur einer gemeint sein.

„Einer der wenigen alten Kämpfer“

Für den pakistanischen Journalisten Rahimullah Yusufzai, einen der besten Kenner der Terrorszene im Grenzgebiet zu Afghanistan, steht der Tod von Libi für einen blutigen Generationswechsel.

„Er war eine der wichtigsten Figuren bei al-Qaida, weil er einer der wenigen alten Kämpfer war, die noch übrig sind“, sagt Yusufzai, der als letzter Journalist überhaupt ein Interview mit Osama bin Laden führen konnte. „Seine theologische Ausbildung war vielleicht der größte Wert, den Libi für al-Qaida besaß. Das hat ihm größte Achtung unter den Bewohnern von Waziristan verschafft. Er hat dort auch das Gebet in der Moschee geleitet. Ohne ihn wird es al-Qaida noch schwerer fallen, Nachwuchs in den Stammesgebieten zu werben.“

Yusufzai kennt diese Gegend wie kein anderer Journalist. Er wurde hier geboren, lebt und arbeitet noch heute in Peshawar, der Hauptstadt der pakistanischen Grenzprovinz und dem traditionellen Tor zu Afghanistan. Von dort aus berichtete er für den britischen Sender BBC und das pakistanische Magazin Newsline und bildet lokale Reporter aus, die in allen Teilen der Stammesgebiete unterwegs sind.

„Viel mehr Theologen darunter als früher“

In diesem Teil der Grenzregion, in der das pakistanische Militär und die Behörden nur bedingten Einfluss haben, werde sich die grundsätzliche Unterstützung für al-Qaida halten, meint Yusufzai. Auch wenn die Al-Qaida-Führung in Afghanistan und Pakistan stark dezimiert sei, werde das Terrornetzwerk in seinem alten Stammland nicht aussterben: „Auch wenn sich der Aktionsradius nach Afrika und in den Nahen Osten verschoben hat, ist die Organisation hier sehr stark verwurzelt. Die verbliebenen Führer wie Aiman al-Sawahiri können hier nicht weg und hier werden sie immerhin noch von den Taliban geschützt.“

Dennoch werde sich der Charakter von al-Qaida ändern: „Die neue Generation der Al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan und Pakistan ist noch radikaler und ideologisierter als die Gründer-Riege. Aber sie werden es nicht leicht haben: Die Drohnenschläge machen es hier sehr schwer zu überleben. Und die Neuen haben nicht die Kampferfahrung der Veteranen aus Bosnien, Tschetschenien und dem Afghanistan-Krieg.“

Veränderte Einstellung der Taliban

Im Al-Qaida-Nachwuchs sei die religiöse Komponente noch stärker. „Es sind viel mehr Theologen und Koranschüler mit einer fundierten Ausbildung darunter als früher“, sagt Yusufzai. „Und sie sind im Internet wesentlich aktiver.“

Die al-Qaida in Afghanistan und Pakistan werde darum auch in Zukunft eine wichtige Quelle der Inspiration und Propaganda für die weltweit verteilten Zellen bleiben. Sollten die Taliban nach dem Abzug der internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan fest in der Machtteilung des Landes verankert sein, dann würden die Möglichkeit für diese politischen Aktivitäten sogar noch wachsen.

Das müsse aber nicht heißen, dass al-Qaida hier noch militärisch aktiv sein werde, meint Yusufzai. Das liege vor allem an einer veränderten Einstellung ihrer Partner, der Taliban: „Sie stehen zur ihrem alten Versprechen, al-Qaida Zuflucht zu gewähren. Aber die Bereitschaft, ihre weltweiten Aktionen zu tragen, ist stark zurückgegangen.“

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