Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Nachrichten

« Zurück

6. März 2014

Mizwot als Lebensaufgabe

Helene Habermann aus München setzt mit ihren Kindern die jüdische Tradition ihrer Familie fort. Von Miryam Gümbel, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen, 6.3.2014. Als Schoa-Überlebende sind die Gefühle von Helene Habermann, geborene Kornfeld, stets bei den Ermordeten, wie sie selbst sagt. Von ihrer Familie hat außer einer Cousine nur sie überlebt. »Mein Vater hatte sieben Geschwister, alle hatten bereits Kinder und Enkel. Meine Mama hatte drei Geschwister, auch sie hatten schon Kinder und Enkel«, erzählt sie und fordert: »Dieses Verbrechen darf nicht vergessen werden!« Dass Yad Vashem sich der Erinnerung annimmt, dafür ist sie dankbar.

 

 Helene Habermann und ihr Mann Josef Habermann sel. A. © Andre

Helene Habermann und ihr Mann Josef Habermann sel. A.© Andre

 

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war Helene Kornfeld elf Jahre alt. Sie erinnert sich, dass Anfang September 1939 rund 20 Verwandte in ihrer Heimatstadt Schymenschytz/Oberschlesien auftauchten. Ihre Eltern nahmen alle auf und versorgten sie. Darunter war auch eine schwangere Cousine mit einem dreijährigen Mädchen. Ihr Mann wurde auf dem Weg zu ihnen von Wehrmachtssoldaten erschossen. Als sie davon erfuhr, verlor die Cousine ihr Kind.

AUSCHWITZ

Mit dem Einmarsch der Deutschen begannen die Grausamkeiten – über Schikanen, Entwürdigungen bis hin zum Mord. Einer ersten Deportation entkam die Familie Kornfeld. Doch dann sollten sich die Wege von Helene und ihren Eltern trennen. Bei einem Appell wurden sie auseinandergerissen. Der damals 13-Jährigen wurde klar, dass Mutter und Vater sterben sollten, abkommandiert in die Reihe für den Transport nach Auschwitz.

Das war zu viel für das junge Mädchen: »Ich habe mich aus der Reihe losgerissen. Schluchzend lief ich auf die Eltern zu. Da brüllte ein Offizier: Stehen bleiben – zurück! Freundinnen zerrten mich zurück, das wiederholte ich noch zweimal. Nachdem ich nicht aufhörte, gaben mir die jüdischen Sanitäter eine Spritze, und sie haben mich festgebunden, damit ich nicht mehr losrennen konnte. Das war der letzte Moment, in dem ich meine Eltern gesehen habe.« Die Befreiung am 8. Mai 1945 erlebte Helene Kornfeld später als »den zweitschlimmsten Tag in meinem Leben, da ich wusste, dass ich allein und einsam auf der Welt geblieben bin«.

Schließlich lernte sie in München ihren späteren Mann kennen, Josef Habermann sel. A.. Rabbiner Englard, der beide Familien gut gekannt hatte, sagte ihr, dass diese Verbindung passe. So haben die beiden 1947 in München geheiratet. »Das war das große Glück für mich«, sagt Helene Habermann noch heute: »Es war ein wunderbarer, gutmütiger und fleißiger Mensch. Haschem schenkte uns drei gesunde, tolle Kinder, dafür bin ich sehr dankbar.«

ENGAGEMENT

Was sie zu Hause von ihren Eltern gelernt hatte, daran hielt sie auch in München fest: Ihre Mutter hatte arme Leute unterstützt, ihr Vater eine private zinslose Darlehenskasse gegründet, mit der er Menschen half, bis sie sich finanziell wieder erholt hatten. Sozialem Engagement fühlt sich Helene Habermann bis heute verpflichtet – in Deutschland ebenso wie in Israel.

»Für das Glück in meinem traditionellen religiösen Elternhaus, das mein späteres Leben bis heute prägt, und für mein Überleben danke ich Haschem. Und ich freue mich, dass meine Kinder die Familientradition mit Einfühlungsvermögen und Mizwot fortführen«, bekennt sie. Mit Blick auf das Education Gateway for Learning and Reflection fügt sie hinzu: »Das Gedenken an die Opfer der Schoa ist tief in meinem Herzen verankert. Ich freue mich, dass es mir möglich ist, die Erinnerung zu unterstützen, die Yad Vashem hier in Jerusalem in beeindruckender Weise festhält.«

Alle Beiträge der Kategorie Nachrichten ansehen »

VeranstaltungenÜberblick »

Mai 2024 | Nissan-Ijar | « »

Aktuelle Veranstaltungen


So. 05.05.2024 | 27. Nissan 5784

Kultur

Gedenke und erinnere zu Jom Haschoah: Die Pianistin von Theresienstadt

Beginn 17:00

Sonntag, 5. Mai 2024, 17 Uhr

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lädt anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager und Erew Jom Haschoah ein:

Abend zum Gedenken an Alice Herz-Sommer (1903-2014)

Weiterlesen »

Di. 07.05.2024 | 29. Nissan 5784

Kultur

„Aus der Ferne wirkt alles wie ein Wunder“: Jehuda Amichai (1924-2000) zum 100. Geburtstag

Beginn 19:00

Würdigung
Dienstag, 7. Mai 2024, 19 Uhr

Ein Abend mit Efrat Gal-Ed und Thomas Sparr
Moderation: Ellen Presser

»Ich bin ein Knoten, nicht zu lösen / gleich dem, den man ins Taschentuch knüpft, zur Erinnerung / an etwas. Ich weiß nicht, woran ich erinnern soll und wen, / damit er’s nicht vergisst.«
Jehuda Amichais Gedichte erinnern an die Universalität menschlicher Erfahrungen, ohne dabei ihren Ursprung – Amichais Auseinandersetzung mit der eigenen jüdischen Identität – zu überschreiben. Verfasst in einem Hebräisch der Alltagssprache, sind seine Gedichte verortet im individuellen sowie kollektiven Zeitgeschehen:

»Die Geschichte der Juden und die Geschichte der Welt / zerreiben mich zwischen sich […] Offen Verschlossen Offen. Das ist der ganze Mensch.« Weiterlesen »

Alle Veranstaltungen »

Israelitische Kultusgemeinde
Kontakt
Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de