Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Lebensende, Bestattung, Trauer

Jahrzeit

Der erste Jahrestag der Beerdigung wird im deutsch-jüdischen Sprachgebrauch als „Jahrzeit“ bezeichnet. An diesem Tag des Verstorbenen zu gedenken, hat sich wohl auch zuerst im 15. Jahrhundert bei den deutschen Juden eingebürgert und von dort aus verbreitet, so daß mit der Sitte auch der Name heute allgemein üblich geworden ist. Das Wort „Jahrzeit“ ist sogar als Vokabel in die hebräische Sprache eingegangen.

Am Tage der Jahrzeit wird, wie während der Trauerwoche und des Trauermonats, im Hause ein Licht entzündet, das 24 Stunden brennt, und an diesem ersten Jahrestag pflegt man mit einem Minjan, also mit 10 religiös mündigen männlichen Personen, das Grab zu besuchen, um dort Kaddisch zu sagen. Die Jahrzeit wird dann in allen folgenden Jahren nicht mehr am Beerdigungstag, sondern jeweils am Todestag (nach jüdischem Datum) begangen.

Grabstein

Hierzulande wird, wenn das Trauerjahr beendet ist, der Grabstein gesetzt. Als Inschriften findet man häufig, die für po nitman/nitmena „hier ist begraben“. Die auch anzutreffenden Buchstaben stehen für po tamun/temuna „hier ist geborgen“. Am Schluß der Grabinschrift sieht man oft die Abkürzung, die ausgeschrieben (Tehi nafscho/ nafscha zrura bizror ha-chajjim) „Möge seine/ihre Seele eingebunden sein in das Bündel des Lebens“ lautet.

Auf alten Grabsteinen sieht man oft Abbildungen, wie z.B. Hirsch oder Löwe, die auf den Namen des Verstorbenen hinweisen. Das Symbol der segnenden Hände weist auf einen Cohen, einen Angehörigen der Priesterkaste hin und die Kanne auf einen Nachkommen des Stammes Levi, dessen Mitglieder den Priestern im Tempel das Wasser für Waschungen reichten.

Stein auf Stein

Das Niederlegen und Pflanzen von Blumenschmuck beim Besuch eines Grabes entspricht nicht jüdischem Brauch, fand jedoch in der Neuzeit in weniger gesetzestreuen Kreisen Verbreitung. Traditionell legt man zum Zeichen des Gedenkens an den Verstorbenen einen kleinen Stein auf den Grabstein.

Quelle: Heinrich Simon: Leben im Judentum, Verlag Hentrich & Hentrich und Centrum Judaicum Berlin, 2003

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