Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Lebensende, Bestattung, Trauer

Die Bestattung

Der Mann bekommt seinen Tallit, den Gebetsmantel, mit ins Grab, wobei an einer Ecke die Schaufäden entfernt werden, weil sie ja den Menschen an die Ausübung religiöser Pflichten erinnern sollen, die der Tote ohnehin nicht mehr erfüllen kann. Für die Verrichtungen, die die Mitglieder der Chewra Kadischa an dem Toten meist in einem Raum auf dem Friedhofsgelände vornehmen, gibt es ganz genaue Richtlinien, die peinlich befolgt werden müssen. Wesentlich ist, daß die gesamte Zeremonie für alle gleich ist. Jeder und jede bekommt das gleiche Gewand, jeder bekommt den gleichen ganz einfachen Sarg, der von der Gemeinde geliefert wird. Jeglicher Pomp bei der Bestattung und bei allem, was mit ihr zusammenhängt, ist untersagt.

Die Friedhöfe werden als Bet ha-chajjim (Ort des Lebens) oder Bet ha-olam (Ort der Ewigkeit) bezeichnet. Feuerbestattung ist nicht sehr verbreitet. Im gesetzestreuen Judentum ist sie untersagt, während sie in liberalen Kreisen vorkommt. Auf dem 1880 eingeweihten Friedhof der Berliner Jüdischen Gemeinde in Weißensee wurden Urnen zunächst in normalen Särgen beerdigt. Darüber hinaus gibt es seit Mitte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhundert einige kleine spezielle Urnenfelder.

Die Bestattungszeremonie …

… beginnt mit einer Trauerfeier auf dem Friedhof in einem dafür vorgesehenen Raum. Es wird – meist nach einem einleitenden Gesang des Kantors – eine Trauerrede von einem Rabbiner gehalten; oft sprechen außerdem noch andere Personen. Es gilt als unstatthaft, einem Verstorbenen das ihm gebührende Lob zu verweigern. Allerdings kann sich der Verstorbene noch zu Lebzeiten Reden verbeten haben. Insofern also ist eine Rede nicht obligatorisch. Dann folgt ein Gebet, das als Zidduk ha-din (Anerkennung der göttlichen Gerechtigkeit) bezeichnet wird. Sein Kerngedanke besteht darin, daß Leben und Tod in der Hand Gottes liegt, dessen Entscheidung immer richtig ist: „G-tt hat gegeben und G-tt hat genommen; der Name G-ttes sei gelobt.“ (Hiob, 1,21)

Zu manchen Zeiten des Jahres wird dieses Gebet durch Psalm 16 ersetzt, der analoge Gedanken enthält. Daran schließt sich dann ein Gebet für das Seelenheit des Toten an; seine Seele möge Ruhe und Frieden finden. Dann wird von den Trauernden, den nahen Verwandten des Verstorbenen, die sogenannte Kria vorgenommen, sofern sie nicht gleich nach dem Tode ausgeführt wird.

Die Kria ist ein Riß:

Zum Zeichen der Trauer zerreißt man seine Kleider. Dafür gibt es feste Regeln, indem für die Eltern auf der linken Seite, für andere nahe Angehörige auf der rechten Seite vom Halse an ein Stück senkrecht eingerissen wird und sieben Tage, bzw. für die Eltern dreißig Tage, nicht vernäht werden darf. Auf diese Weise soll der Schmerz nach außen sichtbar gemacht werden; zum Zeichen für den Riß im Herzen wird ein Riß in die Gewänder gemacht. Danach wird der Sarg zu dem bereits vorher ausgehobenen Grabe gebracht. Der Gang von der Trauerfeier zum Grabe wird mehrmals unterbrochen, um die Mühsal dieses Weges anzuzeigen, wobei der 91. Psalm rezitiert wird.

Nachdem man die Grabstelle erreicht hat, wird der Sarg hinabgelassen. Alle Anwesenden werfen drei Hände Erde auf den Sarg, wobei sie jedes Mal sagen: „Von Staub bist du und zum Staub wirst du zurückkehren.“ (1. Buch Mosis 3, 19), was Gott seinerzeit zu Adam gesagt hatte, als er ihn und seine Frau aus dem Paradies vertrieb. Wenn der Sarg völlig von Erde bedeckt ist, sprechen die Versammelten das Kaddischgebet, das auch in Gottesdiensten ständig zum Totengedenken gesagt wird, obwohl es inhaltlich mit dem Tode nichts zu tun hat, sondern ausschließlich ein Lob Gottes enthält. Dann spricht man den Trauernden tröstende Worte zu, wofür es eine feste Formel gibt.

Bevor man den Friedhof verläßt, …

… wäscht man sich die Hände. Die Vorstellung, daß die Berührung eines Toten verunreinigt, wird soweit ausgelegt, daß jeder Besuch eines Friedhofs eine Händewaschung erforderlich macht. Vielfach ist es üblich, vorher noch etwas Gras anzureißen und es hinter sich zu werfen, um damit anzudeuten, daß dereinst die Toten auferstehen werden wie das Gras auf dem Felde. Es gilt als verdienstlich, vor dem Verlassen des Friedhofs Almosen zu geben, weil die Wohltätigkeit vor dem Tode errettet. Zu diesem Zweck sind am Friedhofsausgang meist Sammelbüchsen aufgestellt.

Jüdische Gräber dürfen niemals eingeebnet werden, um für eine erneute Belegung Platz zu schaffen; sie haben Bestand für alle Zeiten. Dadurch sind jüdische Friedhöfe eine wichtige historische Quelle, „und zwar unter zwei Gesichtspunkten: Die Grabdenkmäler können als kunstgeschichtliche Zeugnisse ausgewertet werden (…). Die Grabinschriften bewähren sich als Quellen für jüdische Geschichte (…).“ Sie sind quasi „steinerne Urkunden, die auch darum von einzigartigem historischen Wert [sind], weil für die Juden eine relevante Quellenkategorie nicht existiert, die für Christen verfügbar ist: Kirchenbücher.“ (Hermann Simon)

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