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7. November 2012
Karlsruhe sieht „rechtliche Probleme“ bei der Antiterrordatei
Erschienen auf Focus Online, 6.11.2012. Ein zentrales Instrument der deutschen Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus muss beim Datenschutz voraussichtlich nachgebessert werden. Das wurde am Dienstag bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die umstrittene Antiterrordatei deutlich.
Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte in Karlsruhe, die 2007 gestartete Verbunddatei berge teilweise „verfassungsrechtliche Probleme“. Mehrere Richter des Ersten Senats stellten das Prozedere der Datenspeicherung äußerst kritisch in Frage. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht „erhebliche Kontrolldefizite“. In der Antiterrordatei sind nach Angaben des Gerichts derzeit mehr als 16.000 Personen gespeichert.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, verteidigten die Antiterrordatei gegen rechtliche Bedenken. Der Minister sagte in Karlsruhe, die Datensammlung sei „ein entscheidender Baustein in der deutschen Sicherheitsarchitektur“ und ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen den internationalen islamistischen Terrorismus. In dieser Verbunddatei werden Informationen von 38 Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vernetzt. Damit werde die Identifikation gesuchter Personen erleichtert. Von 2007 bis 2011 habe es 300.000 Suchabfragen gegeben, sagte Friedrich. Auf die Frage nach konkreten „Erfolgen“ blieb er aber eine Antwort weitgehend schuldig.
Ziercke sieht „neue Qualität“ der Bewertung von Gefahren
BKA-Chef Ziercke betonte, die Antiterrordatei ermögliche eine zeitnahe und schnelle Abwehr terroristischer Gefahren und sei damit „ein echter Sicherheitsgewinn“. Die Verbunddatei verhindere, „dass eine mögliche heiße Spur auf eine kalte Liste kommt“. Durch die Verdichtung des Informationsaustausches gebe es eine neue Qualität der Bewertung terroristischer Gefahrenlagen. Netzwerke des Terrors erforderten ein Netzwerk von Information und Analyse.
Gegen das Antiterrordateigesetz (ATDG) vom Dezember 2006 hat ein ehemaliger Richter Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Datensammlung sei verfassungswidrig, weil die Voraussetzungen der Datenspeicherung nicht klar geregelt seien, monierte der Kläger. Es könnten auch Kontaktpersonen erfasst werden, die selbst keine terroristischen Aktivitäten unterstützten.
„Schon wegen der Gesinnung“ in der Antiterrordatei?
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sagte, in der Antiterrordatei könnten „auch völlig unbescholtene Bürger erfasst“ werden. Dies gehe zu weit. Man könne „schon wegen der Gesinnung“ in die Antiterrordatei geraten. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde damit verletzt. Zudem werde gegen das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten verstoßen, weil die beteiligten Polizeibehörden Zugriff auf die von Geheimdiensten in die Antiterrordatei eingestellten Daten hätten.
Der Senatsvorsitzende und Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof sagte, der Kreis der in der Antiterrordatei aufgenommenen Personen berge „verfassungsrechtliche Probleme“. Das betreffe insbesondere die Frage, in welchen Fällen Daten von „Kontaktpersonen“ mutmaßlicher Terroristen gespeichert werden dürften.
Kirchhof sagte, die Antiterrordatei erleichtere zwar eine „umfassende Aufklärung gegen Risiken des Terrorismus“ und diene damit dem wichtigen Ziel des Schutzes von Staat und Gesellschaft. „Sie erlaubt aber auch weitreichende und bundesweite Zugriffe auf persönliche Daten von Individuen, die oftmals nicht von der Speicherung ihrer Daten erfahren und deshalb kaum Rechtsschutz beantragen können“, sagte der Gerichtsvizepräsident.
Zudem sei „zu erwägen, ob und inwieweit eine Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten zulässig ist“. Das Urteil des Ersten Senats wird voraussichtlich in drei Monaten verkündet.
Der vollständige Gesetzestext: http://url.dapd.de/xb3VSU
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