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8. Mai 2012

Hochhuth: Grass-Gedicht ist „so wenig ein Gedicht wie ein Pferd ein Ziegenbock“

Welt Online. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth hat Mitgliedern der Akademie der Künste Antisemitismus vorgeworfen und die Kultureinrichtung im Zorn verlassen. In dem Streit geht es unter anderem um das israelkritische Gedicht von Günter Grass, das Thema einer Diskussionsveranstaltung der Frühjahrsmitgliederversammlung der Akademie war. Akademie-Präsident Klaus Staeck äußerte am Montag Bedauern über den Austritt Hochhuths, wies dessen Vorhaltungen aber zurück.

„Ich weigere mich, zwischen Antisemiten zu sitzen!“, heißt es in einer Erklärung, die Hochhuth nach dem Eklat am Samstag veröffentlichte. Die Diskussion über das nach seinen Worten „antisemitische Pamphlet des abwesenden ‚Kollegen‘ Grass“ sei einseitig zugunsten des Irans und der Palästinenser auf Kosten Israels verlaufen. Als er Einwände vorgebracht habe, sei ihm ständig ins Wort gefallen worden, es sei dazwischen geschrien worden.

Beim Gespräch über Grass „fand keiner der Anwesenden, der sprach, nicht ‚Gründe‘ zu seinen Gunsten, stets auf Kosten der Juden“, erklärte Hochhuth weiter. „Muss ausgerechnet d i e Akademie, zehn Meter neben dem Holocaust-Denkmal erbaut, als angeblich seriös einen Text diskutieren, den sehr gern – der 1946 in Nürnberg gehängte – Julius Streicher in seinem ‚Stürmer‘ gedruckt hätte?“

Staeck sagte, aus Respekt vor Hochhuth und dessen literarischer Lebensleistung wolle er nicht näher auf die Umstände von dessen Abgang aus der betreffenden Sitzung eingehen. Er betonte aber: „Auch als Anwesender bei dieser Sitzung verwahre ich mich in aller Schärfe dagegen, dass Akademie-Mitglieder von Rolf Hochhuth in der Öffentlichkeit ohne jeden Anlass als Antisemiten denunziert werden.“

Bei einer sachlich geführten Diskussion zu Israel und Iran sei es zu erregten Reaktionen Hochhuths gekommen, „die allein der Tatsache galten, dass über dieses Thema überhaupt gesprochen wurde“. Es sei dabei nicht in erster Linie um das Gedicht von Grass gegangen. Anders als Hochhuth behaupte, sei er nicht niedergeschrien worden, „sondern in der Runde der Anwesenden gebeten (worden), seinen Kollegen nicht ins Wort zu fallen“, betonte Staeck.

In die Akademie der Künste wird man berufen, ein Austritt muss schriftlich erklärt werden. Bis Montag war kein entsprechendes Schreiben Hochhuths dort eingegangen. „Ich habe vor einem Plenum von 200 Leuten die Tür zugeschlagen und meinen Austritt erklärt“, sagte der Schriftsteller der Nachrichtenagentur dapd. Ob die Akademie das auch schriftlich haben wolle, kümmere ihn nicht.

Deutschlandradio. Im Interview mit Deutschlandradio Kultur bekräftigte Hochhuth den Vorwurf des Antisemitismus gegenüber Günter Grass. Der Schriftsteller hat die Position zu seinem Austritt aus der Akademie der Künste Berlin in Zusammenhang mit dem israelkritischen Gedicht von Günter Grass begründet. Es komme uns Deutschen nicht zu, uns den Kopf zu zerbrechen, wie Israel seine Existenz in einer todgefährlichen Lage verteidige. Er wiederholte ausdrücklich seinen Vorwurf des Antisemitismus gegenüber dem Gedicht „Was gesagt werden muss“ von Günter Grass: „Wenn nun ein Deutscher ( … ), der selber SSMann war ( … ), wenn ausgerechnet der nun den Israelis verbieten will, ein U-Boot zu kaufen, dann ist er ein ausgemachter Antisemit, was denn sonst“, äußerte Hochhuth.

Die Akademie der Künste habe das „antisemitische Pamphlet“ von Grass, das „so wenig ein Gedicht ist wie ein Pferd ein Ziegenbock“, nur deshalb verteidigt, weil Grass einmal Präsident dieser Institution gewesen sei, sagte Hochhuth. Er habe schnell gewusst, in welche Richtung die Diskussion auf der Frühjahrstagung „ausarten“ würde: „Nämlich zu einer fast, ich sage fast, einstimmigen Verurteilung Israels zugunsten seiner Todfeinde, der Palästinenser und der Iraner. Und das höre ich mir als Deutscher, der sich auch zwei Mal die Woche zu Tode schämt ( … ), nicht an.“

Hochhuth bezeichnete den Diskussionsstil auf der Tagung als „Geschrei“. Die Äußerungen von Ingo Schulze, dem Direktor der Sektion Literatur, der von „denunziatorischen Vorwürfen“ Hochhuths gesprochen hatte, wies er zurück: „Er wollte mir den Mund verbieten. Ich lasse mir mit 81 Jahren von so einem jungen Mann nicht den Mund verbieten. ( … ) Es ist mir vollkommen schnuppe, was Herr Schulze über mich denkt.“

Das vollständige Gespräch mit Rolf Hochhuth können Sie bis zum 7. Oktober 2012 als MP3-Audio im Audio-On-Demand-Player von Deutschlandradio nachhören.

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