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18. April 2011

Ein Buch für Hanna

Schriftstellerin Mirjam Pressler hat in München ihren neuen Roman vorgestellt
von Miryam Gümbel

Es gibt Menschen, die andere tief und nachhaltig beeindrucken. Für die Autorin Mirjam Pressler gehört Hanna dazu. Die beiden Frauen hatten sich vor mehr als drei Jahrzehnten in einem Kibbuz im oberen Galiläa kennengelernt und sich dann fast jährlich getroffen. 2006 ist Hanna gestorben. Mirjam Pressler wird bewusst, dass sie eigentlich ein Buch über sie hätte schreiben wollen – doch ihre Fragen kann sie ihr, die sie als „eine ungewöhnliche Frau, freundlich und sanftmütig, mit einem guten, mitfühlenden Herzen“ beschreibt, nicht mehr stellen. Hanna geht ihr nicht aus dem Kopf, aus den Erinnerungen wird ein Roman Ein Buch für Hanna.

Das Kulturzentrum der IKG München und der Beltz & Gelberg Verlag haben die Autorin zu einer Lesung und einem Gespräch mit Wolfgang Neuss von SWR eingeladen. Die Leiterin des Kulturzentrums, Ellen Presser, freute sich, dass Mirjam Pressler ihre Neuerscheinungen regelmäßig in der Münchner Kultusgemeinde vorstellt.

Die Verlegerin Barbara Gelberg stellte die mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnete vielseitige Schriftstellerin und Übersetzerin vor, die in ihrem jüngsten Werk eine Lebensgeschichte mit vielen Reflexionen verbindet. Zum Beispiel über Wahrheit und Wahrhaftigkeit, wie dies im Gespräch mit Wolfgang Neuss immer wieder deutlich wurde. „Ich konnte kein Buch über Hanna schreiben, dazu ist es zu spät, aber ich habe ein Buch für Hanna geschrieben“, unterstrich Mirjam Pressler im Gespräch ebenso wie im Vorwort zu ihrem Roman.

Dänemark Hanna, geboren als Hannelore, gehörte zu einer Gruppe jüdischer Mädchen, die zunächst das Glück zu haben schienen, der Nazi-Verfolgung zu entrinnen: Aus Leipzig konnte sie, gerade 14 Jahre alt, mit einer Gruppe anderer Mädchen, zunächst nach Dänemark kommen. Dann bekam sie dann ihren weniger „deutsch“ klingenden Namen Hanna. Von dort wurde sie nach Theresienstadt deportiert.

In die Beschreibung des Aufenthalts in Dänemark mischen sich immer wieder Beobachtungen der politischen Situation. Die Mädchen sprechen darüber, vom gebrochenen Nichtangriffspakt der Deutschen auch mit Dänemark. Und die jungen Zionistinnen fragen sich, ob ihr Wunsch, nach Erez Jisrael zu kommen, jemals Wirklichkeit werden wird. Nicht alle werden dorthin gelangen. Und bis es für Hanna so weit kommt, liegt noch eine schwere Zeit vor ihr. Zeiten, in denen vieles, was das junge Mädchen in Gedanken hin und her wälzt, nie ausgesprochen oder zu Papier gebracht wird, beispielsweise in den Briefen oder knappen Postkarten an ihre Mutter.

verhaftung Die Verhaftung von Hanna schildert Mirjam Pressler in dem Roman in zugleich dramatischer wie einfühlsamer und berührender Weise. Die Familie, bei der Hanna zu Rosch Haschana zu Gast ist, wird deportiert. Hanna, so zeichnet Mirjam Pressler die Situation im Roman, bekommt hinter der Tür ihres Zimmers alles mit. Sie wird entdeckt und von den Deutschen gefragt, ob sie Jüdin sei. „Ja, ich bin Jüdin“, lässt Pressler ihre Romanheldin sagen.

Warum, fragen Wolfgang Neuss und die Zuhörer. Sie hätte zum einen gar nicht aus dem Zimmer kommen müssen und zum anderen einfach die Frage verneinen. „Das hätte nicht zu Hanna gepasst“, begründet Mirjam Pressler die Szene. Die Romanszene ist fiktiv, aber auch wahrhaftig. So zeichnet die Schriftstellerin in dem Buch für Hanna diese Frau und ihren Charakter. Während der Recherche hat Mirjam Pressler die Orte des Geschehens besucht, auch Theresienstadt.

andersen Manche der Schilderungen aus der Landwirtschaft gehen auf Erlebnisse der Autorin aus ihrer eigenen Kindheit zurück. Besonders wichtig war Mirjam Pressler aber immer die Persönlichkeit von Hanna, so wie sie diese über die Jahrzehnte kennengelernt hat. Ihre Wahrhaftigkeit spiegelt sich in der Beschreibung ihres Verhältnisses zur Magd Bente auf dem dänischen Bauernhof. An einigen Stellen werden Gefühle mithilfe von Märchen umschrieben.

Und so wird das Zitat aus dem „Standhaften Zinnsoldaten“ von Hans Christian Andersen eine Widmung an Hanna und die Wahrhaftigkeit, mit der sie Mirjam Pressler durch den Roman begleitet. Sie hat es dem Buch ebenso vorangestellt wie dem Abend im Gemeindezentrum: „Da schmolz der Zinnsoldat zu einem Klumpen zusammen, und als das Dienstmädchen die Asche aus dem Ofen nahm, fand sie diesen Klumpen, der die Form eines Herzens hatte.“

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