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18. April 2012

Antisemitismus-Diskussion in Österreichs Generalkonsulat in New York

ikg-wien.at, APA. Schon Jean-Paul Sartre stellte in seinen 1945 verfassten “Betrachtungen zur Judenfrage” fest, dass Antisemitismus auch ohne Juden auskommt. Heute würde der französische Philosoph wahrscheinlich sagen, “Plus ca change, plus c’est la même chose”. Denn gerade in jenen Ländern, wo die Zahl der Juden deutlich geschrumpft sei wie etwa in Ungarn und Polen, nehme der Antisemitismus zu, sagt Abraham H. Foxman, Direktor der 1913 gegründeten Anti-Defamation League (ADL).

Foxman und der österreichische Generalkonsul Peter Brezovsky nahmen das fast hundertjährige Bestehen der ADL zum Anlass einer Diskussionsrunde am 17.4.2012 im österreichischen Generalkonsulat in New York. Man diskutierte über Strategien gegen Antisemitismus und Rassismus der Gegenwart. Foxman lobte die Anstrengungen der österreichischen Regierung zum Abbau von Vorurteilen gegen Minderheiten, insbesondere Juden. Als eines der ersten Länder hätte Österreich zusammen mit der ADL Einrichtungen wie Polizeiausbildung und Gedenkdienste institutionalisiert.

Andererseits besteht der Antisemitismus jüngsten Umfragen zufolge weiter. Die Lage habe sich nicht verschlechtert, sei aber auch nicht besser geworden, sagte Foxman. Oft verstecke sich der Antisemitismus hinter der Kritik an Israel oder Banken wie Goldman Sachs, die als hauptverantwortlich für die Finanzkrise abgestempelt würden. “Ich bin sicher, die meisten Menschen glauben, Paul Volcker und US-Finanzminister Timothy Geithner seien Juden, weil sie im Finanzgeschäft tätig sind,” sagt Foxman. Volcker war Präsident der US-Notenbank Federal Reserve. Er hat das Vorwort zu Foxmans Buch “Jews and Money” geschrieben. Bildung, Bildung und nochmals Bildung ist nach Foxmans Meinung das beste Mittel gegen den Antisemitismus, nicht Unterricht über den Holocaust. Er verweist darauf, der Antisemitismus hätte lange vor dem Holocaust bestanden.

Der ehemalige Außenminister und einstige Ständige Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen, Botschafter Peter Jankowitsch, setzt bei der Bekämpfung des Antisemitismus auf internationale Zusammenarbeit. Er erinnerte an die 1975 von arabischen Staaten in der UNO-Generalversammlung eingebrachte Resolution, die Rassismus und Zionismus gleichsetzt. Erst 1991 sei es gelungen, die Entscheidung außer Kraft zu setzen. Jankowitsch ist Präsident der Jerusalem Foundation Austria.

Ein Professor für Wirtschaftswissenschaft erzählt, viele seiner Studenten glaubten, das Problem der Arbeitslosigkeit könne mit einer Einwanderersperre gelöst werden, obwohl sie mit der Theorie der vergleichbaren Vorteile vertraut seien. In Krisenzeiten suche man eben nach Sündenböcken. Gibt es überhaupt wirksame Strategien gegen Rassenvorurteile? Die Diskussionsrunde konnte diese Frage nicht beantworten. Einig war man sich mit Hannah M. Lessing, der Rassismus habe nicht nur in Ungarn, sondern auch anderswo in Europa wie in den Niederlanden und Norwegen zugenommen. Die Linie zwischen Kritik an Israel und dem Antisemitismus sei dünn. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an das Gedicht des deutschen Schriftstellers Günter Grass “Was gesagt werden muss”. Der Kampf gegen den Antisemitismus müsse bei der Kindererziehung beginnen, so Lessing abschließend.

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