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15. Juni 2012

„Stümper“ und „Geisterbeschwörer“: Kritik an den NSU-Ermittlungen

Von Katrin Aue, dapd. Heftige Kritik an den in der NSU-Mordserie ermittelnden Länderbehörden: Die Anschläge der Zwickauer Terrorzelle seien „kriminalfachlich stümperhaft“ bearbeitet worden, sagte der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Bernhard Falk, am 14. Juni2012 vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Rechtsterrorismus in Berlin. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden bundesweit zehn Morde, zwei Sprengstoffattentate und mindestens 14 Banküberfälle zur Last gelegt.

Der Untersuchungsausschuss versucht herauszufinden, warum die Ermittlungen zur Mordserie über ein Jahrzehnt lang erfolglos verliefen. Dabei wurde immer wieder kritisiert, dass die Zuständigkeit für die Ermittlungen nicht bei einer zentralen Stelle – etwa beim BKA – lag, sondern auf mehrere Landesbehörden verteilt war.

Diese Organisationsform sei aus seiner Sicht „risikobelastet“ gewesen, sagte Falk. Das Kernproblem sei, dass Ermittlungsergebnisse nicht an einer Stelle gesammelt und analysiert worden seien. Jahrelang waren die Beamten überwiegend der These nachgegangen, die Mordserie habe ihren Hintergrund in der Organisierten Kriminalität. Mit einer zentralen Führung wären die Ermittler möglicherweise darauf gekommen, „dass wir damit auf dem falschen Dampfer waren“, sagte Falk.

BKA hat sich „geziert“

Allerdings stand offenbar zunächst das BKA auf der Bremse. Schon 2004 war aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern die Bitte nach einer Übernahme der Untersuchung durch die Bundesbehörde gekommen. Doch das sei damals „auf Arbeitsebene“ beim BKA abgelehnt worden, berichtet Falk. Dies könnte der „offenkundig entscheidende Fehler“ gewesen sein, sagte CDU-Obmann Clemens Binninger. Die Länder hätten gewollt, doch das BKA habe sich „geziert“.

Zwei Jahre später schaltete sich Vizepräsident Falk ein. Die Ermittlungen seien offenbar in einer „Einbahnstraße“ und führten nicht zum Ziel, beschrieb der 63-Jährige seine damalige Motivation, eine zentrale Führung zu fordern.

Doch nun lehnte der hierfür zuständige Bundesinnenminister ab. Offenbar hatten nun die Länder dagegen votiert. „Ich war der Meinung, dass die Übernahme durch das BKA zu Verzögerungen bei den Ermittlungen führen würde“, sagte dazu der damalige Abteilungsleiter der Hamburger Sonderkommission, Felix Schwarz, vor dem Ausschuss. Die an Stelle des BKA federführende Ermittlungseinheit Bosporus habe zudem „gute Arbeit“ geleistet.

Hamburger Polizei engagierte „Medium“

Für Irritation sorgte im Ausschuss ein Aktenfund: Hamburger Polizisten setzten für ihre Ermittlungen zur NSU-Mordserie auf die Expertise eines iranischen Geisterbeschwörers. Diese Maßnahme sei von dem Gedanken getragen gewesen, „nichts unversucht zu lassen“, berichtete Schwarz. Es habe jedoch „nichts gebracht“.

Der Mann sei 2008 aus dem Iran eingeflogen und habe zehn bis 15 Minuten vorgeblich im Kontakt mit dem verstorbenen Hamburger Opfer gestanden, berichtete der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) aus den Akten. Das Medium habe als Täter „südländische Typen“ aus einer „polizeibekannten Bande“ festgestellt. Vorher seien ihm Details zu den bisherigen Opfern der Zwickauer Zelle mitgeteilt worden, etwa die Namen der Mütter. „So richtig seriös finde ich es nicht“, resümierte Edathy.

Währenddessen ist ein weiterer mutmaßlicher NSU-Unterstützer auf freiem Fuß. André E. sei nicht „dringend tatverdächtig“, an der Herstellung des Bekennervideos der Zwickauer Zelle beteiligt gewesen zu sein, entschied der Bundesgerichtshof. Damit sind jetzt nur noch Beate Zschäpe und der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft.

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Oktober 2025 | Tischri-Cheschwan | « »

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So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786

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„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel

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Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr

Moderation: Günter Keil

Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »

Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786

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26. Lange Nacht der Museen in München

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Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht

Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr

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Vorträge (je 30 Minuten)

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  • 21:45 Uhr: Ellen Presser

21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »

Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786

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Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“

Beginn 19:00

Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr

Moderation: Ellen Presser

Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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