Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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11. Februar 2015

Jüdische Filmtage in München – 18. Januar bis 18. Februar

Liebe Filmfreunde, jetzt heißt es wieder: »Film ab am Jakobsplatz!« – bereits zum siebten Mal laden Sie die Jüdischen Filmtage in München der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern in die jüdische Welt und die Welt des jüdischen Films ein. Wieder hat Ellen Presser, leidenschaftliche Cineastin und langjährige Leiterin des Kulturzentrums der IKG, unbedingt sehenswerte Filme für das gar nicht so kleine und sehr feine Festival am Jakobsplatz ausgesucht und zu einem abwechslungsreichen Programm mit nationalen und internationalen Produktionen – von außergewöhnlichen Spielfilmen über Dokumentationen bis zum Animationsfilm – zusammengestellt.

Das Programm der Jüdischen Filmtage in München 2016 finden Sie hier (PDF-Download).

Die Schoah und ihre Nachwirkungen bilden erneut einen Schwerpunkt dieser Veranstaltungsreihe, die Teil unseres steten Bemühens ist, nicht zu vergessen. Jahrelang fuhr die Tram-Linie 41 durch das Ghetto von Lodz (von den Nazis in »Litzmannstadt« umbenannt). Tag für Tag brachte sie Menschen einander nah, die in denkbar gegensätzlichen Welten lebten – ohnmächtig die einen, herzensträge, kaltblütig die anderen: polnische Bürger, jüdische Gefangene und deutsche Machthaber. In ihrem Dokumentarfilm-Debüt »Linie 41« begleitet die Regisseurin Tanja Cummings Natan Grossmann, der das Ghetto als Jugendlicher überlebte, und Jens-Jürgen Ventzki, den Sohn des strammen Nazi-Bürgermeisters, auf ihrer erschütternden Spurensuche in ihren konträren Familiengeschichten.

Mit viel Dokumentarmaterial und herausragenden Schauspielern erzählt das BBC-Dokudrama »The Eichmann Show« die Geschichte der Fernseh-Übertragung des Prozesses in knapp 40 Länder. Erstmals hörte die Welt die Geschichte dieses singulären Menschheitsverbrechens aus dem Mund der Opfer. Die Filmtage 2016 gewähren außerdem ungewöhnliche Einblicke in das emanzipierte deutsche Judentum des 19. Jahrhunderts und in die russisch-jüdische Tradition der Gesellschaftskritik abseits von staatlicher Propaganda.

Unter dem Titel »So isst Israel« lässt sich Tom Franz, Gewinner von Israels beliebtester Kochshow, auf eine kulinarische Abenteuerreise von der Wüste in die judäischen Hügel durch die israelische Küche, vor allem aber zu den Menschen des Landes, zu Kibbuzniks, Käsemachern, Köchen und Genießern begleiten. Wir freuen uns besonders, Tom Franz persönlich begrüßen zu dürfen. Nach der Filmvorführung erzählt er uns über israelisches Lebensgefühl und seinen Bezug zur Kochkunst des Landes.

Qualität hat ihren Preis. Deshalb danke ich von ganzem Herzen den Sponsoren, die diese Veranstaltungsreihe unterstützen.

Allen Besuchern wünsche ich neue Erkenntnisse, anregende Einblicke und nicht zuletzt gute Unterhaltung bei den Jüdischen Filmtagen!

Ihr
Charlotte Knobloch

 

GLOSSE

Was macht einen Film jüdisch?

von Ellen Presser. Frei nach einem Text für das »Jewish Film Festival Berlin. Die ersten zehn Jahre«, hg. von Nicola Galliner, be.bra verlag, Berlin-Brandenburg 2004.

Sein oder Nichtsein – Was fällt Ihnen dazu ein? Vermutlich Shakespeare. Ich denke eher an Ernst Lubitsch! »Sein oder Nichtsein« – das ist eine jüdische Frage. Und ein jüdischer Film.

Klar werden Sie sagen: Carole Lombard, hoho! Gewiss »hoho!« Aber nicht jüdisch. Jack Benny und Felix Bressart, die sind jüdisch. Und das Thema? Polnischer Widerstand gegen die nationalsozialistische Okkupation. Ein tragisches Thema. Und man lacht. Es ließe sich noch manches anführen, was diesen Film jüdisch macht – von den Gags bis zum Regisseur.

Das wirklich Jüdische an »Sein oder Nichtsein« ist aber, dass mitten in der Vorstellung einer aufsteht und rausgeht. Ich meine in der Warschauer Theateraufführung im Film. Dieses Phänomen beschränkt sich freilich nicht auf das Filmgeschehen selbst, sondern kann jederzeit auf die Zuschauer übergreifen. Es müssen nur die richtigen Leute im Kino sitzen.

Sich nicht beherrschen können und mittendrin raus wollen – ob zur Toilette oder zum Telefon, die ganze Reihe zum Aufstehen nötigen und sich lautstark entschuldigen, das ist jüdisch. Und wenn wir schon vom Lautsein sprechen: Alles was auf der Leinwand geschieht, wird kommentiert, als hätten die anderen Zuschauer keine Augen im Kopf und der Ton wäre ausgefallen. Husten, Räuspern und den Nachbarn nahelegen, sie sollten leise sein, gehört ebenfalls zum einschlägigen Repertoire. Musikeinlagen werden als Aufforderung zum Mitsingen und Mitsummen begriffen.

Und da zu den Mitzwot das Gebot der Wohltätigkeit zählt, erklärt man gerne, was gleich im Film passieren wird, als gäbe es keine anderen Möglichkeiten, seinen Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Die Ergänzung biographischer Details über die Darsteller versteht sich von selbst.

Hinzu kommt das Rascheln beim Auspacken der Marschverpflegung, die geräuschvoll konsumiert, wechselseitig probiert und kommentiert wird. Sollten all diese Begleiterscheinungen ausbleiben, dann hört man nichts … außer geräuschvollem, tiefem Atmen. Schnarchen nicht unähnlich.

Was macht einen Film jüdisch? Das Publikum.

Deshalb gehen wir auch gerne ins gojische Kino.

Und machen daraus ein jüdisches.

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