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13. September 2012
Wahl in den Niederlanden: Große Verluste für Wilders
Euphorisch feiern die Rechtsliberalen um Premier Mark Rutte und die Sozialdemokraten ihre Erfolge bei der Parlamentswahl. Damit kann der von dem Land eingeschlagene Sparkurs fortgesetzt werden. Von Ruth Reichstein, erschienen auf Welt Online, 13.9.2012.
Es war ein unerwarteter Freudentaumel, der sich im Festzelt der rechtsliberalen VVD kurz nach der ersten Hochrechnung am Mittwochabend ausbreitete. Die Anhänger konnten es wohl selbst zunächst nicht glauben: Mit 41 von 150 Sitzen wurde die Partei des bisherigen Premierministers Mark Rutte stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden. Sie lag nach den Prognosen bis Mitternacht einen Sitz vor den Sozialdemokraten.
„Heute ist ein historischer Tag. Wir haben noch nie zwei Mal hintereinander gewonnen. Das ist phantastisch!“, sagte ein VVD-Mitglied. Immer wieder fielen sich die Menschen in die Arme, machten Fotos zur Erinnerung. In den Umfragen lag die Partei nur bei 36 Sitzen. Deshalb war das Ergebnis um so überraschender. Der einzige Wehmutstropfen: Die Wahlparty wurde mehrfach von heftigem Platzregen gestört. Minutenlang fiel die gesamte Video- und Tonanlage aus. Der Freude konnte das allerdings keinen Abbruch tun.
„Die VVD ist in der Geschichte noch nie so groß gewesen wie heute Abend. Das ist eine unglaubliche Unterstützung für mich und mein Programm“, sagte Mark Rutte, als er kurz vor Mitternacht ins Festzelt kam. Er ließ seine Anhänger am längsten warten von allen Spitzenkandidaten. Er brauchte mehr als zehn Minuten, um sich durch die Menge bis zur Bühne zu kämpfen. Immer wieder wurde seine Rede von begeisterten „VVD“-Rufen unterbrochen.
Zwei-Parteien-Koalition ist unwahrscheinlich
Auch die Sozialdemokraten feierten ihr Wahlergebnis in Amsterdam. Sie lagen in den Prognosen nur einen Sitz hinter den Rechtsliberalen. Damit würde eine Zwei-Parteien-Koalition zum Regieren reichen. Allerdings gilt sie als unwahrscheinlich. Beide Spitzenkandidaten hatten sie vor der Wahl ausgeschlossen. Klar ist aber, dass die beiden Parteien auf jeden Fall zusammenarbeiten müssen.
Alle anderen Kombinationen – auch mit mehr Parteien – kommen nicht auf die erforderliche Mehrheit von 75 Sitzen. „Beide Parteien haben sehr hohe Ergebnisse. Wir sollten heute Abend noch nicht über Koalitionen sprechen. Das Ergebnis macht aber deutlich, dass die Wähler unsere Haushaltspolitik unterstützen“, sagte der bisherige VVD-Außenminister Uriel Rosenthal.
Beide Spitzenkandidaten hatten in den vergangenen Wochen ihr Bekenntnis zur Europäischen Union bekräftigt. Rutte verteidigte den Sparkurs und unterstrich die Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung. Die wird mit der VVD als stärkste Partei in einer Regierungskoalition wohl die Unterstützung der Niederländer in Brüssel behalten. Auch die VVD vertritt wie Berlin einen harten Sparkurs.
Sparprogramm selbst bei der Wahlparty
Gespart wurde im Übrigen auch bei der VVD-Wahlparty: Getränke und Häppchen gab es nur gegen Bezahlung. Die Party fand in einem Zelt am Scheveninger Strand statt. Der Chef der Sozialdemokraten Diederik Samsom will ebenfalls eine strikte Haushaltsdisziplin und unterstützt die Rettungsprogramme für Griechenland und die anderen Schuldenstaaten.
Allerdings fordert Samsom darüber hinaus auch Investitionen und den Erhalt des Sozialsystems. Die beiden Spitzenkandidaten gratulierten sich in ihren Reden gegenseitig. Nachdem sie sich in den vergangenen Tagen in den Fernsehdebatten immer wieder scharf angegriffen hatten, scheinen sie nun bereits an die Koalitionsgespräche zu denken.
Wilders’ Freiheitspartei stürzt ab
Eine echte Ohrfeige bekam dagegen der Rechtspopulist Geert Wilders von den Wählern. Seine Partei verlor im Vergleich zu 2010 elf Sitze und liegt mit 13 Sitzen nur auf Platz vier oder fünf. Seine Forderungen nach einem Austritt aus der Europäischen Union kamen bei den Wählern offenbar nicht an. Alle demokratischen Parteien begrüßten den Absturz der Freiheitspartei.
Sie hatte die Neuwahlen notwendig gemacht, weil sie die Minderheitsregierung der VVD bei den Rettungsschirmen für Griechenland nicht mehr unterstützen wollte. „Die Wähler haben gezeigt, dass Weglaufen nicht der richtige Weg ist“, sagte der VVD-Politiker Rosenthal.
Geert Wilders gestand seine Niederlange zwar ein, warb aber bei seinen Anhängern dafür, am bisherigen Kurs festzuhalten: „In den kommenden Jahren werden die Menschen merken, dass der Euro ein großer Fehler ist. Die Schlacht ist noch nicht verloren. Ich kämpfe, um die Menschen vor Europa zu beschützen.“
Sozialisten sind drittstärkste Kraft
Der zweite Verlierer des Abends ist der Sozialist Emile Roemer. Vor wenigen Wochen noch konnte er auf den Posten des Premierministers hoffen. Seine Partei lag seit Mai in den Umfragen vorne, kam zeitweise auf bis zu 38 Sitze. Aber in den vergangenen Wochen stürzte Roemer ab. Vor allem mit seinen Auftritten in den Fernsehdebatten konnte er nicht überzeugen.
Seine Partei kam letztendlich nur auf 15 Sitze, ist damit aber aller Voraussicht nach immerhin noch drittstärkste Partei. „Ich bin stolz auf unser Ergebnis und wir hoffen, dass wir mit am Koalitionstisch sitzen werden“, sagte die SP-Parlamentsabgeordnete Renske Leijten.
Sondierungsgespräche schon am Donnerstag
Bereits am Donnerstag wollen sich die Parteichefs zu ersten Sondierungsgesprächen in Den Haag treffen. „Die Wahlgewinner haben eine große Verantwortung, möglichst rasch ein funktionierendes Kabinett zu bilden“, sagte der Chef der Christdemokraten Sybrand van Haersma Bruma.
Er hofft trotz seiner Stimmenverluste wieder in die Koalition zu kommen. Neben den Christdemokraten haben auch die Linksliberalen der Partei D66 gute Chancen. Beide Parteien liegen mit 13 Sitzen gleich auf.
Auch eine neue Partei wird in das niederländische Parlament einziehen: 50plus. Die Partei setzt sich für die Rechte von älteren Bürgern ein. Damit kam sie immerhin auf drei Sitze. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 73 Prozent und damit knapp zwei Prozent niedriger als vor zwei Jahren.
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