Religion
« Zurück
10. Februar 2017
CER-Tagung: Die zwei Seiten des Internets
In der IKG-München sprach die Europäische Rabbinerkonferenz über digitale Herausforderungen. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen, 9.2.2017. Höchstes Lob aus berufenem Munde durfte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch beim Besuch von Rabbiner Pinchas Goldschmidt im Gemeindezentrum am Jakobsplatz entgegennehmen.
Der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) bezeichnete die jüdische Gemeinde in München als eine der größten und wichtigsten Gemeinden der Welt, das Gemeindezentrum als Juwel – und die Präsidentin als »Vorbild für Leadership«.

»Grundwerte des Judentums«: IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch bekommt von der Rabbinerkonferenz einen Seder-Teller erreicht. © IKG
Pinchas Goldschmidts Worte haben Gewicht. Er ist Oberrabbiner von Moskau, Rabbiner der Choral-Synagoge, Vorsitzender des Rabbinatsgerichts sowohl der Russischen Föderation als auch der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Vorstandsmitglied des Russischen Jüdischen Kongresses und seit 2011 auch Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz.
Er ist auch derjenige, der sich vor internationalen Einrichtungen wie etwa dem Europäischen Parlament, der Knesset oder der Antisemitismus-Konferenz der OSZE zu aktuellen Themen äußert, zumeist zum Zustand der jüdischen Gemeinde und den Bedrohungen durch Antisemitismus. Ein Anwachsen der Judenfeindlichkeit, sagte er bei seinem Besuch in München, sei überall erkennbar.
Innovativ
Anlass für seinen Besuch in München war die »Digital Life Design« (DLD), eine internationale Konferenz- und Innovationsplattform, die von dem Verleger Hubert Burda, einem engen Freund der jüdischen Gemeinde Münchens, ins Leben gerufen wurde und heute neben der Pariser Tagung »LeWeb« als wichtigste europäische Konferenz für Investoren und Internetunternehmen gilt. Die Bedeutung der Veranstaltung, die immer zu Beginn des Jahres stattfindet, ist auch an der Liste der prominenten Teilnehmer zu erkennen. Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, eine der wichtigsten Figuren in der digitalen Welt, fand aus diesem Anlass schon den Weg in die bayerische Landeshauptstadt.
Die digitale Welt hat längst auch Pinchas Goldschmidt und die CER, der rund 400 Rabbiner aus ganz Europa angehören, erreicht. Vor fünf Jahren beschlossen die Rabbiner, einen Entrepreneur-Preis für innovative Internet-Start-ups zu verleihen. Die neuen Preisträger, die aus rund 300 Bewerbern aus der ganzen Welt ausgewählt wurden und nicht unbedingt jüdisch sein müssen, stellte Goldschmidt auf der DLD-Konferenz in München vor. Der mit 26.000 Euro dotierte erste Preis ging an Erich Lehmann (Deutschland), der eine virtuelle Plattform für Lehrer, Studenten und Schüler entwickelte. Der zweite Preis ging an Olga Fler (Russland), die das Internet für wohltätige Zwecke nutzt, der dritte an Hanan Lipskin (Israel/Ukraine), dessen Projekt Kinder vor virtuellen Übergriffen schützt. Beide erhielten für ihre Innovationen einen Preis von jeweils 18.000 Euro.
IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die sich die jährliche Veranstaltung im Zeichen des Internets nie entgehen lässt, war vor allem von der Rede Goldschmidts beeindruckt, in der er auf die Ambivalenz des Internets und der sozialen Medien einging. Wie viele andere Schöpfungen, so Pinchas Goldschmidt, könne das Internet Frieden, Gesundheit, Freiheit und Wohlstand fördern. Es könne aber auch als Werkzeug für Hass, Verbreiten von Lügen und letztendlich als Mittel für die Zerstörung der Menschheit missbraucht werden.

»Wird die Welt durch das Internet besser?«: Rabbiner, IKG-Vertreter und Gäste am Rande der DLD-Konferenz im Gemeinderestaurant »Einstein«. © IKG
Religion
»Ich glaube, dass alle, die das Internet nutzen, sich der Frage stellen sollten, ob die Welt besser wird oder nicht«, erklärte der CER-Vorsitzende und zog eine Verbindung zur Religion. Die Reflexion über die Art und Weise, wie das Internet von jedem Einzelnen genutzt werde, ist nach seiner Überzeugung auch eine zentrale Idee des Glaubens.
»Rabbiner Pinchas Goldschmidt hat die Gegensätze, die zwei Seiten des Internets, den Nutzen und die Gefahren, die daraus resultieren, sehr treffend beschrieben«, gab Charlotte Knobloch ihren Eindruck wieder. Auch ihr sei klar, dass an den sozialen Medien, über die mittlerweile nahezu die gesamte Kommunikation geführt werde, kein Weg vorbeiführe.
»Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass das Internet und die Sozialen Medien nicht nur das bevorzugte Kommunikationsmedium von vielen Menschen sind, sondern zum Beispiel auch eine Plattform für die Anwerbung von IS-Terroristen«, erklärte die IKG-Präsidentin. In ähnlicher Weise hatte sich auch Oberrabbiner Goldschmidt in seiner Rede geäußert.
Unterschiede
Die gegen Juden gerichteten Hassbotschaften, die unbeschreibliche Auswüchse angenommen haben, der im Internet verbreitete Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus spielten beim Besuch von Pinchas Goldschmidt im IKG-Gemeindezentrum nur eine marginale Rolle. Er erinnerte sich noch an seinen letzten Besuch in München vor mehr als 15 Jahren, als der Sitz der IKG noch in der Reichenbachstraße war.
»Damals«, so Goldschmidt, »hat man deutlich gesehen und gemerkt, dass man sich in einem Post-Schoa-Status befindet. Davon ist mit dem neuen Gemeindezentrum im Zentrum der Stadt, einem Werk von Charlotte Knobloch, nichts mehr geblieben. Der Unterschied ist krass.«
Als Zeichen der Anerkennung für ihr Engagement überreichte Goldschmidt der IKG-Präsidentin einen Seder-Teller, ein Zeichen für Freiheit und Frieden. »Dieser Teller«, freute sich Knobloch, »steht für Ordnung und für Regeln. Die Sederabende erinnern an Vergangenheit und Zukunft und symbolisieren die Werte der Religion, die Grundwerte des Judentums.«
VeranstaltungenÜberblick »
Mai 2025 | Nissan-Ijar
- So
- Mo
- Di
- Mi
- Do
- Fr
- Sa
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- 9
- 10
- 11
- 12
- 13
- 14
- 15
- 16
- 17
- 18
- 19
- 20
- 21
- 22
- 23
- 24
- 25
- 26
- 27
- 28
- 29
- 30
- 31
Aktuelle Veranstaltungen
Mo. 19.05.2025 | 21. Ijar 5785
Kultur
»Mit dir steht die Welt nicht still«
Beginn 19:00 Uhr:
Lesung mit Melissa Müller
Moderation: Ellen Presser
London, 1951: Nanette und John lernen sich auf einer Party kennen. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, doch Nanette, die mit Anne Frank befreundet war und als Einzige ihrer Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt hat, fürchtet sich vor dem Glück. Fast zwei Jahre schreiben sie sich, kommen sich in Briefen näher – bis sich Nanette entschließt, John nach São Paulo zu folgen.
Die Publizistin und Drehbuchautorin Melissa Müller (»Das Mädchen Anne Frank«; mit Reinhard Piechocki »Alice Herz-Sommer „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“. Ein Jahrhundertleben«; mit Monika Tatzkow u. a. »Verlorene Bilder, verlorene Leben – Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde« u. a. m.) erzählt in ihrem aktuellen Buch »Mit dir steht die Welt nicht still. Eine Liebe nach dem Holocaust« (Diogenes Verlag) von einer historisch verbrieften Liebe, die sich allen Umständen zum Trotz Bahn bricht.
Eintritt 16,- / 10,- Euro; telefonisch auf der ReserviX-Tickethotline 0761/8884 9999
Veranstalter: Stiftung Literaturhaus und Kulturzentrum der IKG München & Obb.
Veranstaltungsort: Literaturhaus, Salvatorplatz 1, 80333 München
Do. 22.05.2025 | 24. Ijar 5785
Kultur
»Erinnerung – Gedächtnis – Kultur: Jüdische Biographien im 21. Jahrhundert«. Ein Podiumsgespräch
Beginn 19:00 Uhr:
Begrüßung: Dr. Daniel Baumann, Leiter des Stadtarchivs
Einleitung und Moderation: Prof. Dr. Andrea Sinn, Associate Professor of History, Elon University
Biografien sind nicht nur von anhaltendem öffentlichem Interesse; vielmehr bleibt die biografische Forschung ein wichtiger Ansatz, der neue Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur in der Neuzeit bieten kann. Tatsächlich scheinen die Relevanz der biografischen Forschung und ihre Bedeutung für die Gestaltung von Erinnerung, Gedächtnis und Kultur sogar zugenommen zu haben. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung bietet das Podium Einblicke in aktuelle Forschungs- und Vermittlungsprojekte, hinterfragt die Bedeutung von Quellen und öffentlichem Raum, und diskutiert die Darstellung und Verwendung jüdischer Biografien im 21. Jahrhundert.
Podiumsgespräch mit:
Prof. Dr. Philipp Lenhard, Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München
Anton Löffelmeier, M.A., Stadtarchiv München
Ellen Presser, Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb.
Dr. Björn Siegel, Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ)
Dr. Maximilian Strnad, Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Eintritt frei, wegen begrenzter Platzzahl Anmeldung unbedingt erforderlich unter https://eveeno.com/488804931 oder telefonisch (089) 2180 5570
Kooperationspartner: College of Arts and Sciences, Elon University/NC, USA; Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ); Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb-; Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München; Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München und Stadtarchiv München
Veranstaltungsort: Rotunde des Stadtarchivs, Winzererstraße 68

Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de