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10. April 2013

Studie: Rechtsradikale verstärken Aktivitäten im Westen

Von Martin Roy, dapd, 10.4.2013. Neonazis sind auch hinter Gittern gefährlich: Das aufgeflogene rechtsextreme Gefängnis-Netzwerk soll versucht haben, Kontakte zur mutmaßlichen NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe aufzunehmen. Das berichtet die Zeitung „Die Welt“ in ihrer Onlineausgabe. Laut Presseberichten hatten sich Hinweise auf das Netzwerk nach Zellendurchsuchungen in mehreren hessischen Haftanstalten in den vergangenen Wochen ergeben. Eine Studie warf Behörden und Politikern vor, rechtsextreme Gruppen im Westen zu verharmlosen.

Die Welt berichtete unter Berufung auf hessische Justizkreise, der Gründer des Netzwerkes habe versucht, Zschäpe und Personen zu kontaktieren, die der aufgeflogenen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nahestanden. Kontaktpersonen Zschäpes sollen auch geantwortet haben. Der Initiator des Gefängnis-Netzwerkes sei Bernd T., der auch Gründer der rechtsextremen Kameradschaft „Sturm 18“ und wegen eines Tötungsdeliktes vorbestraft ist. Die „Bild“-Zeitung berichtete, das Netzwerk wolle Straftäter und ihre Angehörigen finanziell unterstützen und verurteilte Rechtsextreme in Deutschland vernetzen.

Das in Hessen aufgedeckte rechtsextreme Gefängnis-Netzwerk hat nach bisherigen Erkenntnisse offenbar keine bundesweite Organisationsstruktur. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte in Berlin, solche Vermutungen könne er „nicht bestätigen“. Das Justizministerium lehnte unter Hinweis auf das angelaufene Ermittlungsverfahren eine Stellungnahme ab. Zudem sei der Strafvollzug Ländersache, hieß es.

Opposition verlangt hartes Vorgehen

SPD-Vize Aydan Özoguz kündigte ein hartes Vorgehen gegen rechtsradikale Netzwerke an. „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer, dass inhaftierte Rechtsradikale auch Kontakt zum NSU-Umfeld hatten“, sagte sie. „Für mich ist es bestürzend, dass unsere Sicherheitsbehörden davon offenbar bisher nichts wussten.“ Die Ermittlungsbehörden müssten schnell, hart und offen aufklären.

Die innenpolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, beantragte, das Thema für kommende Woche auf die Tagesordnung des Bundestagsinnenausschusses zu setzen. Gefängnisse dürften nicht zu Rekrutierungsanstalten der Neonazis werden. Die antifaschistische Arbeit müsse auch in den Gefängnissen weitergehen. „Die Bundesregierung sollte schnellstmöglich mit den zuständigen Landesjustizbehörden gemeinsame Anstrengungen vereinbaren“, forderte Jelpke.

Studie räumt mit Klischee auf

Ein Report für die Amadeu Antonio Stiftung über Rechtsextreme im Westen ergab, dass Rechtsextremismus nicht nur in Ostdeutschland verharmlost wird. Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Marion Kraske listete in ihrer Studie „Staatsversagen. Wie Engagierte gegen Rechtsextremismus im Stich gelassen werden. Ein Report aus Westdeutschland“ zahlreiche Fälle auf, in denen die Behörden im alten Bundesgebiet Aktivitäten von Rechtsextremen nur halbherzig verfolgen.

Projekte gegen Rechts würden dagegen ausgebremst, Bürgerinitiativen als Linksradikale oder Nestbeschmutzer verleumdet, heißt es darin. So hätten sich die Behörden sehr schwergetan, einen Angriff bewaffneter Neonazis auf eine Kinovorführung des Films „Das braune Chamäleon“ in Wuppertal als politisch motivierten Gewaltakt zu werten und zu verfolgen. Obwohl der Angriff vor etwa 100 Zeugen erfolgt sei, habe die Polizei erklärt, sie habe keine beweiskräftige Zuordnung von Taten und Tatverdächtigen ermitteln können und es den Angegriffenen überlassen, Beweise für einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat zu erbringen.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte westdeutsche Politiker zum Umdenken auf. Diese hätten bislang mit dem Finger nur nach Ostdeutschland gezeigt. „Die Studie der Amadeu Antonio Stiftung zeigt, wie sehr sich Rechtsextreme auch in Westdeutschland ausbreiten, Gewalt schüren und ihre widerliche Ideologie propagieren“, sagte sie.

Der Schirmherr der Stiftung, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), kritisierte, dass es im Westen keine flächendeckende Opferberatung gebe. Es fehlten dauerhafte und verlässliche Strukturen gegen rechte Gewalt.

Rassismus als Einstiegsdroge

Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, sagte, allgemein bestehe das Problem vor allem darin, dass in Deutschland kaum über Rassismus gesprochen werde. Dieser sei aber in der Gesellschaft weitverbreitet und die „Einstiegsdroge in den Rechtsradikalismus“.

Die 1998 gegründete Stiftung ist nach dem aus Angola stammenden Arbeiter Amadeu Antonio benannt, der 1990 von rechten Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde zu Tode geprügelt wurde.

Download der Studie unter www.amadeu-antonio-stiftung.de.

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Oktober 2025 | Tischri-Cheschwan | « »

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So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786

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„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel

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Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr

Moderation: Günter Keil

Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »

Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786

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Vortrag und Konzert
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Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr

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Vorträge (je 30 Minuten)

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  • 21:45 Uhr: Ellen Presser

21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »

Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786

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Beginn 19:00

Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr

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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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