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25. Januar 2018
Spuren der Vergangenheit
Die Doku »Guardians of Heritage« eröffnete die Jüdischen Filmtage am Jakobsplatz. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 25. Januar 2018. Ein voll besetzter Saal, die berührende Dokumentation Guardians of Heritage – Hüter der Geschichte, dazu ein erhellendes Hintergrundgespräch mit Altoberbürgermeister Christian Ude und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch: Besser hätten die 9. Jüdischen Filmtage der Israelitischen Kultusgemeinde an diesem Sonntag nicht beginnen können.

Altoberbürgermeister Christian Ude, IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und TV-Produzent Emanuel Rotstein (v.l.) © Marina Maisel
Die dreiteilige Dokumentation, von der zwei Teile gezeigt wurden, ist eine Produktion des TV-Senders History, die von Emanuel Rotstein realisiert wurde. Zur Premiere kam auch er ins Gemeindezentrum und erklärte die Idee des Films: »Wir gehen der Frage nach, was die Zerstörung von Kultur und Geschichte, wie wir sie gegenwärtig in Syrien und im Irak erleben, für uns alle bedeutet – und vor allem, wie wir das kulturelle Erbe und das Wissen um unsere Geschichte für künftige Generationen erhalten können.«
Auseinandersetzung
In der Dokumentation, die am 24. Februar um 16.30 Uhr auf History ausgestrahlt wird, kommen auch Christian Ude und Charlotte Knobloch zu Wort. Am Sonntag saßen beide auf der Bühne des Burda-Saals und vertieften im Gespräch mit Emanuel Rotstein ihre jeweilige Haltung zum Umgang mit der Erinnerungskultur. TV-Produzent Rotstein hatte einen speziellen Aspekt bereits angesprochen, auch mit Blick auf die jahrzehntelange Verdrängung des Holocaust aus der Gesellschaft. »Für Juden«, sagte er, »ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte keine Vergangenheit. Sie ist immer präsent.«
Die Präsenz hat nach Überzeugung der IKG-Präsidentin auch damit zu tun, dass Antisemitismus nie aus der Gesellschaft verschwunden sei. Was sich geändert habe, seien die Formen. »Antisemitismus«, sagte Charlotte Knobloch, »kann wieder unverschleiert zum Ausdruck gebracht werden.« Rotstein stellte in diesem Zusammenhang die Frage: »Verkauft das Land der Dichter wieder seine Seele?«
Eine zu denken gebende Diagnose mit tiefen Einblicken in den gewandelten Seelenzustand Münchens lieferte der langjährige Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt, Christian Ude. Er berichtete davon, dass er inzwischen auch Zuschriften von Bürgern aus der Mitte der Gesellschaft bekomme, in denen Antisemitismus ganz offen geäußert werde. Das sei vor noch nicht allzu langer Zeit in dieser Form und in diesem Umfang nahezu undenkbar gewesen. Latenten Antisemitismus habe es bis zu einem gewissen Grad allerdings immer gegeben, erklärte Ude.
Mittelpunkt
Ein einzigartiges Symbol dafür, wie dicht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpft sind und einen Schlussstrich bei der geschichtlichen Aufarbeitung nicht zulassen, ist das Jüdische Zentrum am Jakobsplatz. Offen sei Antisemitismus nicht an ihn herangetragen worden, als die Vision der Rückkehr der Juden ins Herz der Stadt immer mehr Gestalt annahm, berichtete Christian Ude. »Aber es gab versteckte Formen«, sagte er bei der Veranstaltung im Gemeindezentrum.
Plötzlich sei aus einer Schotterfläche, die Bussen als Parkplatz diente, und einem »hingequetschten Spielplatz« ein unverzichtbarer Teil der Stadt geworden. Es sei erstaunlich gewesen, welche Argumente gegen das Jüdische Gemeindezentrum vorgetragen worden seien. Inzwischen werde es international wahrgenommen und bilde so etwas wie das Herz der Stadt.

»Erinnerungskultur geht uns alle an«: Schauspieler Hannes Jaenicke © History
Die History-Dokumentation wird moderiert von dem Schauspieler und Umweltaktivisten Hannes Jaenicke. Er und weitere Prominente wie Christian Berkel, Clemens Schick, Esther Schweins und Aglaia Szyszkowitz waren rund um den Globus gereist, um Menschen zu treffen, die sich für den Erhalt von Kultur einsetzen – unter anderem in Jordanien, Kambodscha, Bosnien und Herzegowina, Kanada, Spanien, den Vereinigten Staaten, Israel, Deutschland und Polen.
Kampf
Enge Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Gesellschaft stehen für Hannes Jaenicke außer Frage – nach den Dreharbeiten erst recht. In der Filmbroschüre zur Doku schreibt er: »Die Kultur ist die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens, die Grundlage unserer Zivilisation. Ein Angriff auf sie ist ein Angriff auf unser Leben. Die Menschheitsgeschichte zeigt: Wo Kultur mutwillig zerstört wird, wo Erinnerungen und Traditionen, Bräuche und Sprachen ausgelöscht werden, ist Völkermord nicht weit. Der Kampf um die Kultur ist ein Kampf für den Frieden und um die Zukunft der Menschheit, ein Kampf, der uns alle angeht.«
In Guardians of Heritage – Hüter der Geschichte sind Charlotte Knobloch und Christian Ude im »Gang der Erinnerung« zu sehen, der Synagoge und Gemeindezentrum verbindet. Auf Glastafeln sind dort die mehr als 4500 Namen der Münchner Juden eingraviert, die von den Nazis ermordet wurden – ein Blick in die Vergangenheit.
Ein paar Treppenstufen weiter oben befindet sich die Kulturabteilung, die unermüdlich jüdische Werte und Traditionen vermittelt – die Gegenwart. Im obersten Stockwerk ist die Präsidentin zu finden. »Sie hat die Zukunft geplant«, sagt Christian Ude.
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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

Israelitische Kultusgemeinde
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