Religion
« Zurück
11. August 2016
„Jude sein muss Spaß machen“
Marcus Schroll vermittelt den Jungen und Mädchen aus der IKG das Judentum. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 11.8.2016. Marcus Schroll hat ein ausgeprägtes Faible für Bücher. Um das zu erkennen, muss man über keine hellseherischen Fähigkeiten verfügen, ein Blick in sein Arbeitszimmer im vierten Stockwerk des Gemeindezentrums genügt.
Die vollgestopften Bücherregale ächzen unter einer gefühlten 150-Prozent-Auslastung, auf seinem Schreibtisch und anderen Möbeln mit Ablagemöglichkeiten stapeln sich die Bücher in bedenklicher Schieflage, in vielen stecken zwischen den Seiten grüne Zettel mit handschriftlichen Anmerkungen. Willkommen im Reich des Religionswissenschaftlers und Pädagogen im Dienst der Kultusgemeinde.

Religionswissenschaftler und Pädagoge Marcus Schroll hilft Kindern beim Zünden der Chanukkalichter. © Marina Maisel
In diesem Schuljahr fallen die Sommerferien für Marcus Schroll kürzer als sonst aus. Obwohl die Ferien längst begonnen haben, sitzt er in seinem Arbeitszimmer, telefoniert, organisiert, liest und schreibt. »Es ist noch so viel zu tun«, sagt er ganz unaufgeregt über sein Arbeitspensum – und ist mit dem Kopf bereits im neuen Schuljahr, obwohl das alte kaum zu Ende gegangen ist. Mit der Eröffnung des jüdischen Gymnasiums, das in den ersten beiden Jahren im Gemeindezentrum Platz finden wird, steht auch Schroll vor neuen Aufgaben. Trotzdem will er noch genügend Zeit finden, um mit seiner Familie in den Urlaub zu fahren. »Wohin es geht, wird kurzfristig im Familienrat entschieden«, schmunzelt er.
Stationen
Pädagogisches Neuland ist der Unterricht auf Gymnasialebene für Marcus Schroll nicht. Zusammen mit Anja Weigand-Hartmann leitet er die Sinai-Schule, wurde vom Kultusministerium als Fachberater für jüdische Religion anerkannt, hat Erfahrungen in der Erwachsenenbildung und vermittelt Schülern im Luitpold-Gymnasium seit vielen Jahren das Judentum. Seine Lehrtätigkeit an der Universität hat er jetzt allerdings aufgeben müssen. »Es geht zeitlich einfach nicht mehr«, sagt er etwas wehmütig.

Prägend: Siddur-Vergabe an die Grundschülerinnen. © Marina Maisel
Unter Zeitdruck stand Marcus Schroll schon in jungen Jahren, als er zwischen seinem Studienort Heidelberg und seiner Heimatstadt Weiden in der Oberpfalz hin- und herpendelte, wo er in der jüdischen Gemeinde eine zentrale Rolle spielte und schon damals Religionsunterricht gab. In den Jahren danach folgten ein zusätzliches Pädagogikstudium und ein Studienaufenthalt in Jerusalem. Den Kontakt zur jüdischen Gemeinde verlor der Lehrer auch dann nicht, als er in Israel studierte. 2002 landete er schließlich bei der IKG in München, wo es für ihn Schritt für Schritt vorwärts ging.
»Jude sein muss Spaß machen«, lautet eine Überzeugung von ihm, die er seinen Schülern vermitteln will. An den schulischen und pädagogischen Voraussetzungen wird die Vermittlung jüdischer Religion Schrolls Worten zufolge nicht scheitern. »Das pädagogische Konzept, das hier in der IKG aufgebaut wurde, ist vorbildlich«, lobt Schroll das Engagement aller Mitarbeiter, besonders aber die weitsichtige und konsequente Handlungsweise von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die sich mit Vehemenz und Diplomatie auch für das Gymnasium stark gemacht habe und immer die bestmögliche Bildung der Kinder und die Interessen der Schule im Auge habe.
Lehrbuch
Der eigenen Beschreibung zufolge verfolgt Marcus Schroll als Pädagoge das Ziel, seinen Schülern die Grundwerte des Judentums in der Form zu vermitteln, dass sie in der Lage sind, sie auch im Alltag umzusetzen und zu leben. Das gelingt ihm in durchaus überzeugender Weise. An dem Schullehrbuch Ethik im Judentum, das Standardwerk im Unterricht, hat Marcus Schroll mitgearbeitet.
»Die Tora mag 3000 Jahre alt sein, aber sie liefert die Antworten auf alle grundsätzlichen Fragen des Zusammenlebens«, ist Schroll überzeugt. Im Unterricht behandelt er deshalb auch Themen wie »Toleranz«, »Umgang mit Mitmenschen« oder »Randgruppen«. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen sei das noch wichtiger als sonst, wie er betont. Thematische Berührungsängste kennt er ohnehin nicht, sie wären in den oberen Jahrgangsstufen des Gymnasiums, wo er ebenfalls unterrichtet, auch nicht angebracht. »Ethische Fragestellungen wie Stammzellenforschung oder Genmanipulation«, weiß Marcus Schroll, »werden heiß diskutiert«.
Bei den IKG-Abiturfeiern steht Marcus Schroll alljährlich jenen Schülern gegenüber, von denen er die meisten seit Beginn ihrer Schulzeit kennt. Erst unterrichtete er sie in der Sinai-Schule, viele von ihnen danach im Luitpold-Gymnasium, das mit der IKG eng kooperiert. Auch mit dem jüdischen Gymnasium wird sich daran zunächst einmal nichts ändern. Bis die erste »hauseigene« Abiturientenklasse gefeiert werden kann, dauert es aber noch etliche Jahre.
VeranstaltungenÜberblick »
Mai 2025 | Nissan-Ijar
- So
- Mo
- Di
- Mi
- Do
- Fr
- Sa
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- 9
- 10
- 11
- 12
- 13
- 14
- 15
- 16
- 17
- 18
- 19
- 20
- 21
- 22
- 23
- 24
- 25
- 26
- 27
- 28
- 29
- 30
- 31
Aktuelle Veranstaltungen
So. 18.05.2025 | 20. Ijar 5785
Kultur
»Stadt der Hunde«
Beginn 18:00 Uhr:
Lesung mit Leon de Winter
Moderation: Knut Cordsen (BR)
Der renommierte Gehirnchirurg Jaap Hollander, ein assimilierter niederländischer Jude, ist eigentlich im Ruhestand – doch Ruhe findet er nicht. Seit seine Tochter vor zehn Jahren in Israel in der Negev-Wüste verschwand, kehrt er Jahr für Jahr dorthin zurück. Und dort gerät sein durch unerschütterliche Rationalität geprägtes Leben unversehens außer Kontrolle: Erst tritt er in einen Hundehaufen, dann soll er eine Gehirnoperation mit äußerst geringen Erfolgsaussichten durchführen und schließlich hört er einen Hund sprechen. Raffiniert, märchenhaft und dabei hoch politisch erzählt Leon de Winter in seinem lang erwarteten neuen Roman (Diogenes Verlag, Zürich 2025) von einem Mann, dem der Glaube an den eigenen Unglauben abhandenkommt.
Leon de Winter, als Sohn von Schoah-Überlebenden 1954 in ‚s-Hertogenbosch geboren, lebt als Schriftsteller und Filmemacher in den Niederlanden. Die Romane des vielfach preisgekrönten Autors wurden in 20 Sprachen übersetzt.
Eintritt 16,- / 10,- Euro; Stream-Tickets: 8,- Euro telefonisch auf der ReserviX-Tickethotline 0761/8884 9999
Veranstalter: Stiftung Literaturhaus und Kulturzentrum der IKG München & Obb.
Veranstaltungsort: Literaturhaus, Salvatorplatz 1, 80333 München
Mo. 19.05.2025 | 21. Ijar 5785
Kultur
»Mit dir steht die Welt nicht still«
Beginn 19:00 Uhr:
Lesung mit Melissa Müller
Moderation: Ellen Presser
London, 1951: Nanette und John lernen sich auf einer Party kennen. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, doch Nanette, die mit Anne Frank befreundet war und als Einzige ihrer Familie das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt hat, fürchtet sich vor dem Glück. Fast zwei Jahre schreiben sie sich, kommen sich in Briefen näher – bis sich Nanette entschließt, John nach São Paulo zu folgen.
Die Publizistin und Drehbuchautorin Melissa Müller (»Das Mädchen Anne Frank«; mit Reinhard Piechocki »Alice Herz-Sommer „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“. Ein Jahrhundertleben«; mit Monika Tatzkow u. a. »Verlorene Bilder, verlorene Leben – Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde« u. a. m.) erzählt in ihrem aktuellen Buch »Mit dir steht die Welt nicht still. Eine Liebe nach dem Holocaust« (Diogenes Verlag) von einer historisch verbrieften Liebe, die sich allen Umständen zum Trotz Bahn bricht.
Eintritt 16,- / 10,- Euro; telefonisch auf der ReserviX-Tickethotline 0761/8884 9999
Veranstalter: Stiftung Literaturhaus und Kulturzentrum der IKG München & Obb.
Veranstaltungsort: Literaturhaus, Salvatorplatz 1, 80333 München
Do. 22.05.2025 | 24. Ijar 5785
Kultur
»Erinnerung – Gedächtnis – Kultur: Jüdische Biographien im 21. Jahrhundert«. Ein Podiumsgespräch
Beginn 19:00 Uhr:
Begrüßung: Dr. Daniel Baumann, Leiter des Stadtarchivs
Einleitung und Moderation: Prof. Dr. Andrea Sinn, Associate Professor of History, Elon University
Biografien sind nicht nur von anhaltendem öffentlichem Interesse; vielmehr bleibt die biografische Forschung ein wichtiger Ansatz, der neue Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur in der Neuzeit bieten kann. Tatsächlich scheinen die Relevanz der biografischen Forschung und ihre Bedeutung für die Gestaltung von Erinnerung, Gedächtnis und Kultur sogar zugenommen zu haben. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung bietet das Podium Einblicke in aktuelle Forschungs- und Vermittlungsprojekte, hinterfragt die Bedeutung von Quellen und öffentlichem Raum, und diskutiert die Darstellung und Verwendung jüdischer Biografien im 21. Jahrhundert.
Podiumsgespräch mit:
Prof. Dr. Philipp Lenhard, Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München
Anton Löffelmeier, M.A., Stadtarchiv München
Ellen Presser, Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb.
Dr. Björn Siegel, Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ)
Dr. Maximilian Strnad, Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München
Eintritt frei, wegen begrenzter Platzzahl Anmeldung unbedingt erforderlich unter https://eveeno.com/488804931 oder telefonisch (089) 2180 5570
Kooperationspartner: College of Arts and Sciences, Elon University/NC, USA; Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg (IGdJ); Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München & Obb-; Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, LMU München; Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München und Stadtarchiv München
Veranstaltungsort: Rotunde des Stadtarchivs, Winzererstraße 68

Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de