Kultur
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11. April 2013
Israels Theater-Star stammt aus München
Von Jennifer Bligh, erschienen auf Die Welt Online, 10.4.2013. In Israel ist Sara von Schwarze eine Berühmtheit. Gebürtige Münchnerin, konvertierte ihre Familie in ihrer Kindheit zum Judentum. Nun bringt die Schauspielerin ihre eigene Geschichte auf die Bühne.
Diese Wohnung in der Tel Aviver Innenstadt könnte in jedem Architekturmagazin als Paradebeispiel für ein Künstlerhaus vorgestellt werden: unzählige Fotos, Autogramme, Bücher, Skripte, zwischen den Stapeln schlafen malerisch zwei Katzen. An einem großen runden Tisch sitzt Sara von Schwarze, vor dem Fenster biegen sich hohe Bäume im Wind.
Die Schauspielerin ist in Israel eine Berühmtheit, in ihrem Regal stehen mindestens fünf Auszeichnungen aus den letzten Jahren. In ihr aktuelles Stück „Zwischen den Welten“ am Cameri-Theater in Tel Aviv, in dem die 44-Jährige auch die Hauptrolle spielt, hat sie mehr als nur ihr Herzblut gegossen. „Es musste einfach heraus“, sagt sie und fährt sich durch die Haare.
In „Zwischen den Welten“, geht es um die Israelin Ruth, die glaubt, jemanden umgebracht zu haben und nach Jahren ohne Kontakt zu ihrem Vater Abraham und dessen neuer Freundin Sabine nach Deutschland flüchtet. Dort setzen sich Vater und Tochter notgedrungen mit ihrer Vergangenheit aus Christentum, Judentum, Deutschland und Israel auseinander.
Kombination aus Hitze und Schuldgefühl
Umgebracht hat von Schwarze natürlich niemanden, die Konfrontation mit ihrer eigenen verworrenen Vergangenheit ist Materie genug: Das Stück basiert auf der Lebensgeschichte von Sara von Schwarze, die 1968 in München geboren wurde. Als sie drei Jahre alt ist, konvertieren ihre Eltern zum Judentum und ziehen nach Israel.
„In unserer Nachbarschaft kamen fast alle aus Europa, viele waren Holocaust-Überlebende“, erinnert sie sich. Sogar als kleines Mädchen empfand sie ihren deutschen Namen und ihre bayerische Familie als Provokation.
In ihrer Erinnerung haben KZ-Überlebende mit eintätowierten Nummern selbst in der Schlange beim Bäcker ständig im Flüsterton erzählt, wer wen in welchem KZ verloren hat. „Ich war an die Hitze nicht gewöhnt und in Kombination mit den Schuldgefühlen habe ich doppelt so viel geschwitzt wie andere Kinder.“
Grünwald als deutsches Sinnbild
Die neue Heimat war vor allem für ihren Vater nicht das Richtige. Er kehrte zurück nach München. „Ich hingegen habe München und die deutsche Sprache vergessen und verdrängt, bis ich meine Oma das erste Mal besucht habe“, erzählt sie.
Grünwald wurde für die knapp zehnjährige Sara zum Inbegriff eines „Geheimlandes“. Die Isarauen waren grün, die Oma hat sie in die Fußgängerzone und bayerische Restaurants genommen.
„Das Häuschen war im 40er-Jahre Stil eingerichtet, es gab leckeres deutsches Essen und später habe ich deutschen Filterkaffee für mich entdeckt.“ Heute steht eine bunte Lampe aus dem Haus in Grünwald neben ihrem Sofa in Tel Aviv.
Der Erfolg des Stücks hat völlig unerwartet einen Bogen von der Bühne zu ihrem Zuhause gezogen: Ein entfernter Verwandter hat eine Theaterkritik gelesen und von Schwarze über Facebook kontaktiert. „Durch ihn habe ich einen mir bis dahin völlig unbekannten Familienzweig in Stuttgart kennengelernt.“
Identität mit vielen Einflüssen
Es ist wie eine Belohnung dafür, sich überwunden zu haben, die Lebensgeschichte aufzuarbeiten und auf der Bühne Deutsch zu sprechen. Wenn auch mit Fehlern. „Ich kenne Deutsch in meinen Gefühlen, aber nicht in der Grammatik“, erklärt von Schwarze.
Aber auch das passt zu ihrer Einstellung, dass man sich und seine Herkunft akzeptieren muss. In Kategorien passt sie deshalb trotzdem nicht. „Ich fühle mich als Weltbürgerin.“ Das beinhalte Jüdin, Israelin, Deutsche, Münchnerin.
„Ich kann und will nicht verstehen, wie ein Mensch denken kann, seine Identität ändern zu können“, sagt sie energisch. Es sei die Aufgabe der Eltern, den Kindern Antworten geben zu können.
Sie selbst hat drei Töchter, die Älteste hat sich gerade vom Militärdienst befreien lassen. „Sie ist Pazifistin, wie ich auch.“ Sara von Schwarze musste zwei Jahre in der israelischen Armee dienen, trotz ihres Einwands, dass sie als Deutsche kein Gewehr in die Hand nehmen wollte.
Obwohl das lange her ist, passt es perfekt zu ihrer Geschichte in „Zwischen den Welten“. Sabine, Abrahams neue Freundin, hält einen Monolog, der eigentlich aus Saras Mund kommen sollte, was sich dramaturgisch aber nicht umsetzen ließ. Er endet mit den Worten: „Einfach leben!“
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So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786
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„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel
Beginn 17:00Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr
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Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786
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26. Lange Nacht der Museen in München
Beginn 20:30Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht
Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr
Auf einen Blick:
Vorträge (je 30 Minuten)
- 20:30 Uhr: Dr. Elisabeth Rees-Dessauer
- 21:45 Uhr: Ellen Presser
21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
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Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“
Beginn 19:00Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr
Moderation: Ellen Presser
Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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