Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Nachrichten

« Zurück

19. April 2018

Eine Kindheit in Auschwitz

Ruth Melcer berichtete zu Jom Haschoa in der IKG davon, wie sie als Mädchen den Holocaust überlebte. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 19.4.2018. Der Jom Haschoa ist den Opfern des Holocaust und zugleich den Helden des Widerstands gewidmet – und damit auch für die IKG ein wichtiger und fester Bestandteil der Erinnerung. 

Welche Bedeutung hinter dem Gedenktag steckt, machte bei den Feierlichkeiten in diesem Jahr eine zierliche, fast zerbrechlich wirkende Dame deutlich. Ruth Melcer (82) hat als Kind Auschwitz überlebt, was einem Wunder gleichkommt.

Zeitzeugin Ruth Melcer (M.) © Marina Maisel

Zeitzeugin Ruth Melcer (M.) © Marina Maisel

 

»Betrachtungen einer Schoa-Überlebenden« hatte Ellen Presser, Leiterin der IKG-Kulturabteilung und Organisatorin der Gedenkstunde, auf den Veranstaltungs-Flyer geschrieben. Die von Ruth Melcer in der Ohel-Jakob-Synagoge dann vorgetragenen Betrachtungen waren ein bewegendes Stück ihrer Lebensgeschichte.

Ohnmacht

Was die Schoa auch mehr als sieben Jahrzehnte danach für sie persönlich bedeutet, wurde schon nach wenigen Sätzen klar. »Hier vor Ihnen zu stehen«, sagte sie, »empfinde ich als Verpflichtung gegenüber meinem im Alter von sechs Jahren ermordeten Bruder Mirek, meinen Großeltern, Tanten und Onkeln. Der Tod meines Bruders und meine Ohnmacht, ihn als ältere Schwester nicht retten zu können, begleiten mich bis heute.«

Die »ältere Schwester«, die ihren kleineren Bruder nicht retten konnte, war bei ihrer Befreiung im Januar 1945 gerade einmal neun Jahre alt und konnte weder lesen noch schreiben. »Ich wusste nur meinen Namen und meine Häftlingsnummer«, beschrieb Ruth Melcer ihren damaligen Zustand. Sie sagte außerdem, dass ihre Erinnerung an ihre Kindheit erst mit Auschwitz beginnt.

Die Besucher der Gedenkstunde, denen Ruth Melcer tiefe persönliche Einblicke gewährte, hörten von der Zeitzeugin auch Zweifel am Zustand der heutigen Gesellschaft. »Der Gedanke an eine Zukunft, in der sich Antisemitismus, Rassismus, Hass und Menschenverachtung weiter ausbreiten, macht mich unendlich traurig«, erklärte die dreifache Mutter, die in München eine Heimat fand.

Geschichte

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die wie in jedem Jahr an der Gedenkstunde teilnahm, hält solche Sorgen für mehr als berechtigt. »Der Jom Haschoa«, sagte sie am Rande der Feier, »ist ein bedeutsamer Tag für uns – und sollte es auch für alle anderen sein. Doch immer mehr Menschen wollen die Geschichte hinter sich lassen, wollen sich den Ungeheuerlichkeiten nicht mehr stellen.«

In der Feierstunde hatte auch Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman explizit darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, die Erinnerung an die Opfer der Schoa aufrechtzuerhalten. Dies geschah am Gedenktag wieder in eindrucksvoller Weise. Der Chor Schma Kaulenu unter Leitung von David Rees sowie Vladimir Gaba und Luisa Pertsovska steckten den musikalischen Rahmen ab, das Jugendzentrum Neshama und der Verband jüdischer Studenten in Bayern trugen Texte ermordeter junger Menschen wie Peter Fischl, Selma Meerbaum-Eisinger und Hannah Szenes sowie der Zeitzeugin Eva Szepesi vor.

Alle Beiträge der Kategorie Nachrichten ansehen »

VeranstaltungenÜberblick »

Oktober 2025 | Tischri-Cheschwan | « »

Aktuelle Veranstaltungen


So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786

Kultur

„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel

Beginn 17:00

Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr

Moderation: Günter Keil

Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »

Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786

Kultur

26. Lange Nacht der Museen in München

Beginn 20:30

Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht

Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr

Auf einen Blick:

Vorträge (je 30 Minuten)

  • 20:30 Uhr: Dr. Elisabeth Rees-Dessauer
  • 21:45 Uhr: Ellen Presser

21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »

Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786

Kultur

Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“

Beginn 19:00

Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr

Moderation: Ellen Presser

Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

Alle Veranstaltungen »

Israelitische Kultusgemeinde
Kontakt
Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de