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17. April 2012
Braunes Gedankengut: Piraten tragen Augenklappe rechts
Von Manuel Bewarder, erschienen auf Welt Online, 17.4.2012. Die Piratenpartei kämpft mit braunem Gedankengut in ihren Reihen. Auf dem Parteitag in Neumünster droht das Comeback eines Rechtspopulisten. Auch ein Holocaust-Relativierer darf in der Partei bleiben.
Es ist ein Name, der in den kommenden Tagen für Wirbel bei der Piratenpartei sorgen wird: Aaron König. Der Berliner ist zwar kein Mitglied mehr, stand jedoch mal in der ersten Reihe der Partei, als Beisitzer des Bundesvorstandes und als derjenige, der wusste, wie die unbedarften Piraten im Wahlkampf 2009 in die Medien kamen.
Das ist für die junge Partei eine gefühlte Ewigkeit her. Doch damals knallte es gewaltig: Mit einem Blogeintrag über das Minarettverbot in der Schweiz zog er den Zorn vieler Piraten und Wissenschaftler auf sich.
„Rechtspopulistisch“, so lautete oftmals die Kritik – gegen die sich Aaron König wehrte. Der Pirat Wolfgang Dudda, der heute auf Platz zwei der Landesliste in Schleswig-Holstein steht, schrieb: König zeige „Respekt vor der Entscheidung und untermauert alles auch noch mit Hasszitaten des Islam … Das ist konsequent ausländerfeindlich und religiös diskriminierend.“
2010 trat König bei den Piraten aus. Kurz darauf verkündete er mit dem Berliner Islamkritiker René Stadtkewitz die Gründung der Partei „Die Freiheit“.
König ist zurück – als Journalist
Nun ist er zurück. König will sich für den Bundesparteitag Ende April in Neumünster als Berichterstatter akkreditieren lassen. Bundespressesprecher Christopher Lang sagte Welt Online, dass Königs Antrag wahrscheinlich angenommen werde.
So verlaute aus dem Bundesvorstand. Schließlich gebe es wohl keine Chance, dies rechtlich zu verhindern. Allerdings sagte Lang: „Ich hätte Herrn König nicht akkreditiert. Ich habe die Befürchtung, dass er zu viel mediales Interesse auf sich zieht und das am Ende den Parteitag schädigt.“
Der Fall König macht klar, dass die Piraten immer wieder Probleme mit radikalen Mitgliedern, vor allem aus der rechten Ecke haben. Das liegt zum einen am Mitgliederboom. Die Partei mit ihren mittlerweile 25.000 Basispiraten ist ein Sammelbecken für viele, die woanders keine politische Heimat gefunden haben.
Den Politikneulingen fällt es zudem sehr schwer, sich klar genug gegen rechts abzugrenzen.
Antisemitismus per Twitter-Nachricht
Das liegt vor allem daran, dass die – nach ihrem Selbstverständnis – äußerst freiheitsliebenden Piraten ungern Meinungen anderer beschneiden. Lang meinte: „Wir müssen als Piraten den Spagat hinbekommen zwischen ,Kein Platz für Rassismus‘ und Meinungs- beziehungsweise Pressefreiheit.“
Wie schwer das manchen jedoch fällt, zeigen prominente Beispiele: Der Vorsitzende des Kreisverbandes Heidenheim, Kevin Barth, wollte nach antisemitischen Äußerungen im Nachrichtendienst Twitter Anfang des Jahres zunächst nicht zurücktreten.
Nachdem die Empörung im Netz hochschwappte, trat Barth doch zurück. Oder Matthias Bahner: Er war Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Seine frühere Mitgliedschaft in der NPD hatte er jedoch lange verschwiegen. Die Partei möchte ihn loswerden.
Und am Montagabend verschickte der Bundesvorstand eine Pressemitteilung und berichtete, dass der Holocaust-Relativierer Bodo Thiesen nicht aus der Partei ausgeschlossen werde. Sofort brannte eine heftige Diskussion auf. Wie könne das nur sein?
Kein Platz für Rassismus in der Partei?
Das Bundesschiedsgericht wies dabei mit seiner Entscheidung einen Antrag des Parteivorstandes zurück, da die Äußerungen von 2008 bereits geahndet worden seien. Das gelte auch, wenn „erheblicher Schaden“ für die Partei entstanden sei.
Thiesen hatte 2008 auf einer Mailingliste unter anderem geschrieben: „Nun, bis vor einigen Monaten glaubte ich auch, daß diejenigen, die ‚Auschwitz leugnen‘ einfach nur pubertäre Spinner sind. Damals hatte ich aber auch noch nicht Germar Rudolf gelesen. Sorry, aber das Buch prägt einfach – zumindest wenn man objektiv ran geht.“ Zur Erinnerung: Rudolf ist verurteilt, weil er den Holocaust geleugnet hat.
Parteichef Sebastian Nerz zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung. Ein Formfehler habe zwar einen Parteiausschluss verhindert. „Wir werden jedoch auch künftig gegen solche und ähnliche Äußerungen vorgehen. Rassismus hat in der Piratenpartei keinen Platz.“
Sein Stellvertreter Bernd Schlömer sagte: „Ich bin sehr enttäuscht. Letztlich haben die Schiedsgerichte innerhalb von Parteien aber die wichtige Funktion, durch ihre Urteilssprüche einen innerparteilichen Frieden herzustellen.“
JuPis gegen Sexismus und Rassismus
Schlömer hatte das Parteiausschlussverfahren angestoßen. Und auch die viele Piraten lehnen die Entscheidung des Schiedsgerichts ab. In Kommentaren wird Thiesen jedoch immer wieder in Schutz genommen, im Namen der Meinungsfreiheit.
In der Partei tobt spätestens seit einem Brandbrief der Jugendorganisation der Piraten wieder der Streit über den Umgang mit rechten Tendenzen. Vor Ostern hatten die „JuPis“ (Jungen Piraten) Sexismus und Rassismus in der Partei angeprangert.
Als der Stellvertretende Bundespressesprecher relativierte, es gebe in jeder Partei einen Prozentsatz an „Idioten“, taten sich schnell viele Piraten zusammen und verfassten eine eindeutige Erklärung gegen solche Äußerungen. Im Parteiprogramm steht schließlich: Rassismus und Ausländerfeindlichkeit muss in „jeder Form entschieden entgegengetreten werden“.
Jeder relativierende Satz schürt deshalb Bedenken. Und erst vor wenigen Tagen haben zwei Kreisvorsitzende der Piraten Neonazis mit konservativen Volksparteien wie der CDU verglichen.
Das „Weltjudentum“, das überall Gastrecht beansprucht
Mit dem Fall König jedoch würden die Piraten gelassen umgehen, schätzt Wolfgang Dudda. „Wir werden ihn wie jeden anderen Journalisten behandeln“, sagt der Schleswig-Holsteiner. „Es werden vielleicht nur nicht so viele Piraten ihm reden wollen.“
Dudda findet sogar: „Man kann König und seinem skandalösen Auftreten damals eigentlich dankbar sein.“ Die Piraten würden sich immer seltener blenden lassen. Und wer für ein Amt kandidiere, werde seither beim „Kandidatengrillen“ kritisch hinterfragt.
So wird es auch vor der Wahl zum neuen Bundesvorstand Ende April sein. Doch ein Blick auf die Liste der Kandidaten, die in Neumünster kandidieren wollen, zeigt, dass neues Ungemach droht.
Für das Amt des Bundesvorsitzenden wollen auch Dietmar Moews und Carsten Schulz antreten. Moews sprach zuletzt in einem Video vom „Weltjudentum“, das „überall Gastrecht beansprucht“ und sich „als die Geschundenen hinstellt“. Schulz forderte vor kurzem Straffreiheit für das Leugnen des Holocausts.
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Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
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21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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