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17. Mai 2012
Historiker und Publzist Arno Lustiger ist gestorben
Von Tobias Kaufmann, erschienen auf Kölner Stadt Aneiger Online, 16.05.12. Arno Lustiger ist tot. Der Historiker und Publizist starb im Alter von 88 Jahren. Arno Lustiger sel. A. galt als wichtige akademische Instanz für die Geschichte der Juden in der Zeit des Holocaust.
Arno Lustigers Leben hat für mehr als nur einen Tod gereicht, noch bevor er 20 wurde. Mehrere NS-Konzentrationslager und zwei Todesmärsche hat er durchlitten – und überlebt. Gestorben ist Arno Lustiger erst jetzt 88-jährig in Frankfurt am Main, nicht als Davongekommener, sondern als geehrter Bürger, als Mitbegründer der jüdischen Gemeinde seiner Stadt und, was ihm sehr wichtig war, als anerkannter Historiker, der mit einer Legende aufgeräumt hat, die er nie akzeptieren wollte: der Legende, dass sich die Juden im Holocaust widerstandslos hätten töten lassen. Nicht zuletzt er selbst hatte anderes bewiesen.
Lustiger wurde 1924 im polnischen Bendzin geboren. Der väterliche Brotmaschinenbetrieb wurde nach dem deutschen Einmarsch arisiert, der junge Mann ging in den Untergrund und wurde 1943 mit seiner Familie deportiert. In den folgenden zwei Jahren absolvierte Lustiger eine Reise des Grauens, Hunderte Kilometer lang, zum Teil zu Fuß im eisigen osteuropäischen Winter: Auschwitz, Groß-Rosen, Buchenwald, Langenstein-Zwieberge. Sein Vater und sein Bruder Samuel wurden ermordet. Auf der Flucht vom zweiten Todesmarsch 1945 fiel er dem Volkssturm in die Hände, entkam wieder, bevor ihn US-Soldaten endgültig retteten.
Er konnte nie Abitur machen, nie studieren. Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2010 sagte Wolf Biermann: „Seine Elite-Universitäten hießen damals Auschwitz und Buchenwald und das KZ Langenstein im Harz.“ Es war eine Verbeugung vor einer unfassbaren Leidensgeschichte und zugleich ein Kompliment. Denn in den vergangenen rund 20 Jahren ist aus dem Zeitzeugen, der sich in Frankfurt sein neues, zweites Leben aufbaute, ein Zeitgeschichtler geworden. Er wurde Ehrendoktor der Universität Potsdam, Professor des Landes Hessen. Sein Thema waren der Widerstand im Allgemeinen und jüdische Kämpfer im Besonderen: im Zweiten Weltkrieg, im Holocaust, im Spanischen Bürgerkrieg, in Stalins Russland als Opfer und als Täter.
Streiter für das Existenzrecht Israels
Lustiger war „ein bescheidener Mensch, sehr angenehm im Umgang mit anderen“, sagte jetzt Frankfurts designierter Oberbürgermeister Peter Feldmann. Aber er war auch kämpferisch, scheute nicht vor Streit zurück, wenn ihn etwas empörte. So wie jene kleine, aber präsente Gruppe von – jüdischen – Antizionisten wie dem Verleger Abraham Melzer, die ihre Kritik an Israel gern in Nazi-Vergleiche kleiden. Für Lustiger, der unter Einsatz des eigenen Lebens gegen die Nazis kämpfte, während der Widerstand vieler heutiger Antifaschisten umso größer wird, je länger der Untergang des Dritten Reichs zurückliegt, waren diese Gleichsetzungen unerträglich.
Als Melzer im Januar 2006 in der Frankfurter Heilig-Geist-Kirche eine Lesung von Rupert Neudeck organisierte, veröffentlichte Lustiger einen Aufruf, in dem er „alle Freunde und Bekannten“ bat, „mit (und ohne) ihre(n) Israel-Fahnen zu dieser Veranstaltung zu gehen, um dort für das Existenzrecht Israels und gegen die sich ständig wiederholenden Verleumdungskampagnen dieser eigentümlichen Gestalten zu argumentieren“. Die Evangelische Kirche zog den Mietvertrag für die Kirche daraufhin zurück.
Doch was sind lokale Scharmützel in der Bilanz eines solchen Lebens? Mit seinem Beitrag zur Geschichte des Judentums an einem bis heute unter Historikern umstrittenen Punkt hat Arno Lustiger sich verewigt.
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So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786
Kultur
„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel
Beginn 17:00Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr
Moderation: Günter Keil
Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786
Kultur
26. Lange Nacht der Museen in München
Beginn 20:30Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht
Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr
Auf einen Blick:
Vorträge (je 30 Minuten)
- 20:30 Uhr: Dr. Elisabeth Rees-Dessauer
- 21:45 Uhr: Ellen Presser
21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
Kultur
Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“
Beginn 19:00Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr
Moderation: Ellen Presser
Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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