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20. September 2017
Rosch Haschana: Fortschritte und Rückschläge
IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch blickt auf das zu Ende gehende Jahr zurück. Erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 20.9.2017. In den letzten Tagen des jüdischen Jahres blicken wir einmal mehr auf bewegte und bewegende Monate zurück. Mit einem großen, international wahrgenommenen Festakt haben wir den zehnten Jahrestag der Einweihung der neuen Hauptsynagoge »Ohel Jakob« am St.-Jakobs-Platz begangen. Aus Anlass dieses besonderen Ereignisses haben wir Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre herausragenden Verdienste um die jüdische Gemeinschaft die höchste Auszeichnung der IKG, die Ohel-Jakob-Medaille in Gold, verliehen.
Mit der Auszeichnung haben wir einmal mehr vor den Augen der Weltöffentlichkeit bekannt, dass wir in München, in Bayern, in der Bundesrepublik Deutschland ein Leben auf Dauer gestalten. Unsere Synagoge steht im Herzen der Stadt als bauliches Symbol für ein Judentum, das Deutschland als Heimat betrachtet und als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft die Zukunft dieses Landes mitgestaltet.
Erinnerungen
Mit der Eröffnung der Synagoge am 9. November 2006 haben wir uns weit nach vorne gewagt. Das Datum steht seither nicht mehr allein für den Auftakt der gezielten Vernichtung der europäischen Juden im Jahr 1938. Zwar wird der Tag für immer im kollektiven jüdischen Gedächtnis untrennbar mit der Pogromnacht verknüpft sein – mir haben sich die Erinnerungen an jene Nacht unauslöschlich in die Seele eingebrannt –, und doch steht jener deutsche Schicksalstag seit zehn Jahren auch für die Heimkehr des Münchner Judentums, dafür, dass wir trotz allem noch da sind – und bleiben!
»Trotz allem« – das bezieht sich nicht nur auf die historische Entscheidung, im »Land der Mörder« wieder jüdische Gemeinden und jüdisches Leben aufzubauen. Es bedeutet auch: trotz der schmerzhaften Seitenhiebe, Rückschläge und Fehlentwicklungen, die wir in jüngerer Zeit wieder erleben – aber nicht ertragen. Niemals mehr werden wir taten- und wortlos hinnehmen, wenn Antisemitismus unsere Sicherheit und unsere Geborgenheit gefährdet.
Wir nehmen auch nicht hin, dass eine braune Renaissance Europa verändert, dass Pegida und Co., die »Reichsbürger«, die Identitäre Bewegung sowie rechtextreme Parteien wie NPD, »Die Rechte«, »Der III. Weg«, aber auch die AfD hierzulande eine Stimmung erzeugen, die zu weiterer Verrohung und schließlich zur Gewöhnung an radikales, menschenverachtendes Denken und Handeln führt.
Überzeugungen
Wir prangern an, dass die Integrationspolitik früherer Jahre nicht mehr besteht, dass längst Parallelgesellschaften und -wertesysteme etabliert wurden, die den hiesigen christlich-jüdischen Überzeugungen diametral entgegenstehen und der freiheitlichen Demokratie in ihrem Wesenskern widersprechen.
Wir enttarnen den Volkssport »Israelkritik«, der antizionistische Propaganda salonfähig macht und das Wettern gegen Israel zur moralischen Tugend erklärt. Gerade im linken politischen Spektrum sowie in Teilen der Kirchen, insbesondere der evangelisch-lutherischen, wird die israelfeindliche Ideologie verbreitet.
In München hat sich der Kampf gegen BDS und Co. gelohnt. Noch im Herbst könnte der Stadtrat für die Landeshauptstadt einen konsequenten BDS-Bann verabschieden und damit bundesweit eine Vorreiterfunktion einnehmen. Der Antrag der beiden großen Rathauskoalitionen liegt bereits vor. Es ist ein Anfang.
Ressentiments Machtlos hingegen scheint die Politik gegen Auswüchse im Internet zu sein, dem eigentlichen Trainings-, Militarisierungs- und Radikalisierungsort. Das dortige Ausmaß an Hass, Lügen und Aggression führt uns vor Augen, wie verbreitet und verfestigt auch antijüdische Stigmata und Ressentiments sind. Wie dieser Quelle der Gewalt mit den Mitteln von Pädagogik, Politik und des Rechtsstaats beizukommen ist, bleibt trotz aller Bemühungen bisher unbeantwortet.
Positiv bleibt festzuhalten, dass die politische Elite auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene fest und verlässlich an der Seite der jüdischen Gemeinschaft steht. Wir spüren das durch Rückhalt bei entscheidenden Weichenstellungen für die Ausgestaltung der jüdischen Infrastruktur und Kultur sowie durch eine Vielzahl an persönlichen Begegnungen und Korrespondenzen. Ohne die herausragende Unterstützung und den Zuspruch seitens des Freistaates und der Stadt wäre es uns nicht möglich gewesen, zum Schuljahr 2016/2017 das Jüdische Gymnasium München zu eröffnen und an andere neue Projekte wie ein Seniorenheim zu denken.
Die Verantwortlichen der Israelitischen Kultusgemeinde agieren nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohl der Mitglieder. Doch bei aller eigenen Stärke brauchen wir dafür in Deutschland und Europa günstige Rahmenbedingungen. Mit Blick auf die Bundestagswahlen am Sonntag möchte ich alle ermutigen, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen und die Stimme einer der freiheitlich-demokratisch orientierten Parteien zu geben.
Errungenschaften
Die positiven Entwicklungen und Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in der Bundesrepublik und in Europa sind nicht in Stein gemeißelt. Und wer wüsste besser als die jüdische Gemeinschaft, wie verletzlich Freiheit, Frieden und Demokratie sind, wie dünn die Decke der Zivilisation ist? Umso mehr müssen wir unseren Beitrag leisten, um die stabilisierenden und tragfähigen Faktoren der Demokratien zu stärken.
Am Ende dieses Jahres blicken wir mit Stolz und Zuversicht, jedoch wegen der hohen Zahl an terroristischen Attacken auch mit Trauer und Sorge nach Israel. Aber völlig klar ist auch, dass wir unverrückbar an der Seite des jüdischen Staates stehen. Den Menschen in Israel gelten unsere volle Solidarität, unsere Gebete und unser größtmöglicher Rückhalt. Der unbeirrbare Wunsch nach Stabilität und Frieden für Israel mischt sich in das Bündel der guten Wünsche für das neue Jahr. Seit Jahrtausenden sind wir ein Bund. Gemeinsam, als Volk, als Gemeinde können wir unsere Träume verwirklichen.
Ich wünsche allen ein gesundes, glückliches, süßes und gebenschtes Jahr. Möge 5778 nur Gutes bringen und G’ttes Segen alle stets begleiten.
Schana towa – Gmar chatima towa!
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Aktuelle Veranstaltungen
So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786
Kultur
„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel
Beginn 17:00Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr
Moderation: Günter Keil
Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786
Kultur
26. Lange Nacht der Museen in München
Beginn 20:30Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht
Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr
Auf einen Blick:
Vorträge (je 30 Minuten)
- 20:30 Uhr: Dr. Elisabeth Rees-Dessauer
- 21:45 Uhr: Ellen Presser
21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
Kultur
Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“
Beginn 19:00Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr
Moderation: Ellen Presser
Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de