Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Nachrichten

« Zurück

23. Juni 2016

Straßennamen: Antisemiten auf dem Index

Der Münchner Stadtrat wird künftig historisch bedenkliche Straßennamen überprüfen. Von Helmut Reister, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 23.06.2016. Wie soll die Stadt München mit Straßennamen umgehen, die historisch belastet sind? Wie dies künftig konkret aussehen soll, damit befasst sich ein derzeit laufendes Projekt der Stadtverwaltung unter Federführung des Münchner Stadtarchivs.

In einer gemeinsamen Sitzung von Kommunal-, Verwaltungs- und Personalausschuss des Stadtrates stellte Kommunalreferent Axel Markwardt die derzeit gehandhabte Praxis bei der Benennung neuer Straßennamen vor. Er betonte, dass der Stadtrat bei der Verwendung von Personennamen bereits jetzt streng auf die Themenfelder Antisemitismus, Rassismus und Kolonialismus achte.

Streitfall Treitschke: In München trägt eine Straße den Namen des judenfeindlichen Historikers. © Marina Maisel

In der Vergangenheit ging die Auswahl von Straßennamen in München keineswegs so historisch korrekt vonstatten. »Nicht immer«, erklärte der Kommunalreferent in der Sitzung, »waren Stadtverwaltung und Politik bei der Auswahl von Personen so sorgfältig wie heute. Insbesondere die Rolle einzelner Personen während der NS-Zeit haben zu Entscheidungen geführt, die aus heutiger Sicht problematisch sind.«

Sensibilität

Wie viele Straßen davon genau betroffen sein könnten, ist nicht bekannt. Deshalb soll nach dem Willen des Stadtrats erst einmal eine umfassende Bestandsaufnahme aller als problematisch angesehenen Straßennamen durchgeführt werden. Auf die besondere Sensibilität der Thematik ging bei der Sitzung auch Michael Stephan ein, der Leiter des Stadtarchivs.

»Entnennungen oder Umbenennungen von Straßen stellen immer eine grundsätzliche Problematik dar. Jede Tilgung eines Straßennamens ist eine erinnerungskulturelle Intervention mit nachhaltiger Wirkung«, erklärte Michael Stephan und wies dabei auf die Meiserstraße und den Leonhard-Moll-Bogen als exemplarische Beispiele hin.

Die Tatsache, dass sich Bürgerschaft, politische Entscheider oder die Verwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt für oder gegen einen Straßennamen aussprechen, ist nach Überzeugung von Michael Stephan auch Ausdruck eines zeitgebundenen Normen- und Wertesystems. Sobald spätere Akteure Korrekturen an diesen Positionsbestimmungen vornehmen würden, erfolge zugleich eine Art Flurbereinigung der Erinnerung. »Das kann«, sagt Stephan, »nicht im Sinne einer Stadtgesellschaft sein, die sich zu einem kritischen und offenen Umgang mit der Vergangenheit bekennt.«

Alle Beiträge der Kategorie Nachrichten ansehen »

VeranstaltungenÜberblick »

Aktuelle Veranstaltungen


Mi. 19.06.2024 | 13. Siwan 5784

Kultur

Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing, Immanuel Kant und die Erziehung des Menschengeschlechts

Beginn 19:00

Vortrag von R. Prof. emer. Dr. Dr. h.c. Daniel Krochmalnik
Ein Beitrag der Reihe „Die Umkehr des Denkens. 300 Jahre Immanuel Kant“

Mittwoch, 19. Juni 2024, 19 Uhr

Anfang der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts erscheinen in dichter Folge drei grundlegende Texte: „Die Erziehung des Menschengeschlechts“ von Gotthold Ephraim Lessing (1780), „Jerusalem oder Religiöse Macht und Judentum“ von Moses Mendelssohn (1783) und „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ von Immanuel Kant (1784). Darin behandelt das Dreigestirn der deutschen Aufklärung das Problem des Fortschritts der Menschheit. Lessing ist davon überzeugt, Mendelssohn ist skeptisch, Kant formuliert die Bedingungen der Möglichkeit. Die Verfasser nehmen auch Bezug aufeinander und ihr kontroverses Gespräch ist für die Geschichtsphilosophie bis heute von grundlegender Bedeutung. Weiterlesen »

Mi. 26.06.2024 | 20. Siwan 5784

Kultur

„Was habe ich mit Juden gemeinsam?“ – Franz Kafkas Identitäten

Beginn 19:00

Reiner Stach in Zwiesprache mit Franz Kafka
Ein Beitrag zum 100. Todestag von Franz Kafka (1883 – 1924)

Mittwoch, 26. Juni 2024, 19 Uhr

Kafkas Werke beschreiben eine Welt, in der nichts verlässlich ist, in der sich Ordnung immerzu auflöst und das Vertrauteste plötzlich fremd werden kann. Wir wissen heute, dass dies keine Vision war, sondern gelebte Erfahrung. Kafka wuchs auf in einem Spannungsfeld zwischen Deutschen und Tschechen, zwischen orthodoxem, liberalem und zionistisch gesinntem Judentum, in dem die Frage der Identität fortwährend neu verhandelt wurde. Hinzu trat eine unglückliche familiäre Konstellation, die Kafka in die Rolle eines sozialen Zaungasts drängte. Gibt es überhaupt eine menschliche Gemeinschaft, so fragte er sich, zu der ich im tiefsten Sinn des Wortes „gehöre“? Weiterlesen »

Alle Veranstaltungen »

Israelitische Kultusgemeinde
Kontakt
Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de