Kultur
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10. Dezember 2015
Georg Stefan Troller: „Jeder sein eigener Pirat“
Zum Geburtstag des österreichischen Schriftstellers und Journalisten, von Ellen Presser, erschienen in der Jüdischen Allgemeinen, 10.12.2015. Der Reiseschriftsteller, Menschenkenner, Interviewmeister, Dokumentarfilmer, Drehbuchautor, Gedächtniskünstler und Geschichtenerzähler Georg Stefan Troller kennt die halbe – ach was, die ganze Welt. Über viele Städte kann er vieles erzählen: seine Geburtsstadt Wien, deren Sprachmelodie er zeitlebens mit sich führt, Paris, wo er seit den 60er-Jahren lebt, und natürlich München, wo er zum Kriegsende 1945 als US-Soldat und Befreier einrückte und wohin er wegen der Arbeit für den Bayerischen Rundfunk oft wiederkehrte.

Wird 94: Georg Stefan Troller. Foto: Marina Maisel
Unvergessen Dem Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde ist er als Referent seit vielen Jahren verbunden. Unvergessen ist seine Mitwirkung an einem Podium anlässlich der Ausstellung »Sag beim Abschied …«. Damals ging es um die Frage, wie schreibt und dichtet es sich unter politisch bedrohlichen Vorzeichen? Könne man die Situation von Anfang 2000 mit der von 1938 vergleichen?
Troller griff in seinen Antworten auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück. Sein Satz »Man emigriert eben auf Lebenszeit« begleitet ihn seit jeher. Im April 2002 kam Troller wieder, sprach im Zusammenhang mit der Präsentation des Buches Heimkehr in ein fremdes Land. Remigration nach 1945 von Marita Krauss über seine Erfahrungen. Sie sind nicht zuletzt Kernstück seiner legendären Filmtrilogie Wohin und zurück.
Troller las zudem auf Einladung des IKG-Kulturzentrums im Gasteig, im Münchner Stadtmuseum und 2007 schließlich erstmals im Jüdischen Gemeindezentrum. Dorthin kam er im Rahmen der Jüdischen Kulturtage am Jakobsplatz 2015 wieder, und seine Lebensthemen – der Mensch und sein Zurechtfinden in einer zerrissenen Welt – sind unvermindert aktuell.
Augenklappe
Wie gehabt, beginnt jeder Auftritt mit demselben Zeremoniell, dem Aufbau der eigenen Leselampe und eines aus Karton gebildeten Schirms, der das Licht besser auf die Buchseite bündelt. Neu hinzugekommen ist, allerdings nur fürs Lesen, eine Augenklappe. Dazu der lapidare Kommentar: »Jeder sein eigener Pirat.« Und damit der erste von unzähligen Lachern.
Dann hebt Troller mit seiner gutturalen Stimme an, aus seinem letzten Sammelband Mit meiner Schreibmaschine. Geschichten und Begegnungen (Edition Memoria) vorzutragen. Er beginnt mit »Wiener Erinnerungen« und »unsere Leut, unsere Sprach, unser Desperanto«. Seine Geschichten führen in das New York der Emigrationsjahre, wo Troller eine Unterkunft an der 75th Street und Amsterdam Avenue im sogenannten Vierten Reich hat, dem Viertel der aus dem Dritten Reich Vertriebenen. Ihre Sprache war »Emigranto« nach dem Motto: »Alles hat uns Hitler nehmen können, nur nicht unseren deutschen Akzent.«
Man merkt auch, wie gerne Troller erzählt, »wie Paris wirklich ist«, und anhand seines 2008 erschienenen Buches Paris geheim davon berichtet, wie das einstige jüdische Viertel Le Marais »zur In-Gegend geworden ist«, und wie die Pariser »ihre Stadt zu ihrer Bühne« machen. Seine neuen Texte erscheinen regelmäßig in der Kulturzeitschrift Lettre International und danach in Sammelbänden.
Unermüdlich
Natürlich weiß der ewige Journalist Georg Stefan Troller um die neuen Kommunikationswege des World Wide Web – und verweigert sich ihnen konsequent. Per E-Mail oder SMS wird man ihn nie erreichen. Dafür signiert er geduldig und unermüdlich nach seinen Lesungen und hat dabei für jeden ein persönliches Wort.
Was ist das Leben? »Die Summe intensiv erlebter Augenblicke«, antwortet Georg Stefan Troller, der am 10. Dezember 1921 in Wien zur Welt kam.
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Aktuelle Veranstaltungen
So. 12.10.2025 | 20. Tischri 5786
Kultur
„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel
Beginn 17:00Buchpräsentation
Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr
Moderation: Günter Keil
Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »
Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786
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26. Lange Nacht der Museen in München
Beginn 20:30Vortrag und Konzert
Beitrag der IKG München und Oberbayern zur Langen Nacht
Samstag, 18. Oktober 2025, 20:30–23:00 Uhr
Auf einen Blick:
Vorträge (je 30 Minuten)
- 20:30 Uhr: Dr. Elisabeth Rees-Dessauer
- 21:45 Uhr: Ellen Presser
21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »
Mo. 03.11.2025 | 12. Cheschwan 5786
Kultur
Mit Dmitrij Kapitelman: „Russische Spezialitäten“
Beginn 19:00Buchpräsentation und Gespräch
Montag, 3. November 2025, 19 Uhr
Moderation: Ellen Presser
Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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