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15. Februar 2013

Der Louvre muss Nazi-Raubkunst zurückgeben

Von Johannes Wetzel, erschienen auf Die Welt Online, 15.2.2013. Nach dem Krieg landeten viele Gemälde, deren jüdische Besitzer beraubt oder erpresst worden waren, in französischen Museen. Sieben Kunstwerke werden jetzt zurückgeben – auch aus dem Louvre.
Es sind ebenso bewegende wie spannende Geschichten, die in glücklichen Fällen mit der Rückgabe von Kunstwerken an die Erben der durch die nationalsozialistische Judenverfolgung geschädigten Eigentümer enden. Frankreichs Museen werden jetzt, so berichtet die Zeitung „Le Monde“, gleich sieben bedeutende Gemälde an zwei jüdische Familien zurückgeben.

Eines davon hing einst mit dem Titel „Vor der Schenke“ in der Sammlung des Prager Bankiers Josef Wiener und wurde dem Niederländer Barent Gael zugeschrieben. Nach dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei wurde das Bild konfisziert und offenbar im November 1941 versteigert. Josef Wiener wurde am 30. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort fünf Tage später ermordet. Seiner Frau Hede gelang die Flucht nach London.

„Vor der Schenke“ wurde in der Sammlung Martin Bormanns wiedergefunden und an den Central Collecting Point in München übergeben. Vermutlich aufgrund einer Verwechslung mit einem anderen, beim Bombardement von Dresden vernichteten Bild Gaels schickte man das Bild in der Annahme, es sei in Frankreich beschlagnahmt worden, nach Paris. Dort stellten Experten fest, dass das Bild von Pieter Jansz van Asch stammt, gaben ihm den Titel „Die Rast“ und die Inventar-Nummer MNR 707.

Im falschen Land mit dem falschen Titel

Das Kürzel Sigle „MNR“ für „Musées Nationaux Récupération“ bezeichnet Kunstwerke, die nach Kriegsende den französischen Nationalmuseen mit dem Auftrag übergeben wurden, die rechtmäßigen Eigentümern herauszufinden. Nachdem sich das Bild nun im falschen Land, mit anderem Titel und mit anderem Autor befand, schien das ein Ding der Unmöglichkeit: „Die Rast“ ist bis heute im Besitz des Louvre.

Frankreich war bereits Mitte der Neunzigerjahre in die Kritik geraten war, weil die Anstrengungen, die legitimen Eigentümer zu finden, nachgelassen hatten. Seit 1949 sollen nur 79 MNR rückübereignet worden sein. Eine 1997 eingesetzte Forschungs-Kommission, die „commission Mattéoli“, stellte erstmals die Lage klar: Von 100.000 nach Deutschland gebrachten Kulturgütern wurden 60.000 nach Kriegsende wieder an Frankreich zurückgegeben. 45.000 fanden bis 1949 ihre legitimen Eigentümer wieder.

Die öffentliche Empörung sorgte für Druck

Dagegen wurden 13.000 Objekte „verfrüht“, wie die Kommission kritisierte, Anfang der Fünfzigerjahre verkauft und die 2000 wertvollsten dem Staat als „MNR“ zur Aufbewahrung übergeben. Die öffentliche Empörung hatte zur Folge, dass das Kulturministerium alle „MNR“ auf einer Website mit Foto publizierte. Durch den Vergleich des Auktionskatalogs von 1941 mit dieser Datenbank identifizierte ein Sohn aus zweiter Ehe von Hede Wiener schließlich van Aschs Bild „Die Rast“ als das einst in Prag geraubte Werk.

Tatsächlich sind, wie eine im Jahr 2000 vorgelegte Studie feststellt, nur knapp zehn Prozent der 2000 „MNR“ Raubgut. Der Rest besteht überwiegend aus deutschen Käufen auf dem Kunstmarkt. Oft aber zwang die Not die Verfolgten zum Verkauf. Das illustrieren sechs weitere Gemälde aus der Sammlung des Wiener Textilindustriellen Richard Neumann, der vor dem deutschen Einmarsch nach Frankreich floh. Zwar konnte Neumann viele seiner Kunstschätze mitnehmen. Als er aber auch aus Frankreich fliehen musste, war er gezwungen, seine Sammlung zu verkaufen. Neumann fand Zuflucht auf Kuba, wo er in einer Textilfabrik arbeitete.

Bilder für Hitlers Museum in Linz

Seine Bilder, so fand auf Bitten von Neumanns 82jährigem Enkel Tom Selldorff jetzt die österreichische Kunsthistorikerin Sophie Lillie heraus, waren von drei deutschen Kunsthändlern in Paris für Hitlers geplantes Museum in Linz gekauft und nach Kriegsende nach Frankreich zurückgeschickt worden. Es handelt sich um Gemälde von Gaspare Diziani, Slavator Francesco Fontebasso, Gaetano Gandolfi, François-Charles Palko, Sebastiano Ricci und Alessandro Longhi, die im Louvre oder in drei französischen Provinzmuseen hängen. Jetzt müssen sich Kulturministerium und Eigentümer nur noch auf einen Termin für die feierliche Rückgabe einigen.

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Oktober 2025 | Tischri-Cheschwan | « »

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„Sputnik“: Lesung und Gespräch mit Christian Berkel

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Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »

Sa. 18.10.2025 | 26. Tischri 5786

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  • 21:45 Uhr: Ellen Presser

21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »

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Montag, 3. November 2025, 19 Uhr

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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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