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27. September 2012

Der lange Kampf gegen die „Judensau“-Skulpturen

dapd-Feature: Künstler prangert alte antisemitische Kirchenkunst an. Erschienen auf Die Welt Online, 26.09.12. Die Stiftskirche St. Peter in Bad Wimpfen am Neckar ist ein imposanter Bau: Über dem Eingangsportal ragen zwei Türme in den Himmel. Geht man ein Stück um die Kirche herum, entdeckt man eine Dekorationsfigur, die von Weitem aussieht wie fast jede andere Kirchenverzierung. Bei genauem Hinsehen erkennt man jedoch eine Sau, an deren Zitzen begierig Menschen trinken. Es ist eine sogenannte „Judensau“-Darstellung aus dem 13. Jahrhundert.

Zu erkennen sind die Menschenfiguren als Juden an ihren für die Zeit chrarakteristischen Hüten. In ganz Deutschland gibt es rund 30 solcher Bildnisse an Kirchenfassaden oder in den Chorgestühlen der Gotteshäuser – selbst im Kölner Dom. Sie sind Zeugnisse eines Judenhasses, der etwa seit dem späten Mittelalter unter Christen immer stärker um sich griff.

Kirchenkritiker schreibt jahrelang Protestnoten

Den Münchner Aktionskünstler und Kunsthistoriker Wolfram Kastner macht es wütend, dass die mehrere hundert Jahre alten Schmäh-Bildnisse auch heute noch unkommentiert an den Kirchen prangen. Bekannt ist Kastner vor allem durch aufsehenerregende Aktionen, darunter Auftritte in Papst-Ornat an der Seite eines Hitlerdarstellers vor Besuchen des echten Papstes in München und Berlin.

Seit vielen Jahren schreibt Kirchenkritiker Kastner aber auch in Sachen der „Judensau“-Skulptur an die Verantwortlichen, fährt zu den Gotteshäusern, um Fragen zu stellen und öffentlich zu protestieren. Er will erreichen, dass die Skulpturen zumindest mit einer distanzierenden Hinweistafel versehen werden. Oder in einem Museum ausgestellt werden, wo die antisemitischen Bildnisse dann in entsprechend erklärt werden sollten.

„In der Geschichte der Kirche gibt es schwarze und braune Flecken. Das ist einfach so, und das sollte auch nicht verschwiegen werden“, findet Kastner. Besonders krass sei der Fall der Kirche in Bad Wimpfen in der Region Heilbronn-Franken, die zum Bistum Mainz gehört. Denn dort sei die steinerne Sau Mitte der Neunziger-Jahre neu aus Sandstein gefertigt worden, nachdem das Original zuvor als Dauerleihgabe der Diözese an das Stadtmuseum in Bad Wimpfen gegangen war. Die Replik strahlt dort an der Fassade in -verhältnismäßig- neuem Glanz.

In Sachen Bad Wimpfen schrieb Kastner bereits 2004 Briefe an das Bistum. Generalvikar Dietmar Giebelmann habe ihm zwar erklärt, er teile das Anliegen, „in geeigneter Form auf die Darstellung hinzuweisen und zugleich eine deutliche Distanzierung von ihrem Aussagegehalt zum Ausdruck zu bringen“. Passiert war allerdings bislang nichts dergleichen.

Kirche lenkt überraschend ein

Dabei gibt es andernorts bereits mehrere Beispiele, bei denen Kirchen Tafeln mit Erläuterungen angebracht haben. So geschehen etwa am Regensburger Dom. In Wittenberg wurde 1988 unterhalb der „Judensau“-Darstellung eine Bodenskulptur eingelassen, die an die Opfer des Holocaust erinnert.

Nun kommt auch im Mainzer Bistum Bewegung in die Sache: Am Dienstag sagte ein Sprecher des Bistums der Nachrichtenagentur dapd, man habe sich kurzfristig zum Anbringen einer einordnenden Tafel entschlossen. „Es wird aber der genaue Text noch zu klären sein“, sagte der Sprecher. Dann solle die Informationstafel zügig errichtet werden.

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Oktober 2025 | Tischri-Cheschwan | « »

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Sonntag, 12. Oktober 2025, 17 Uhr

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Am 4. Oktober 1957 erreichen die ersten Satelliten die Erdumlaufbahn. Kurz darauf erblickt in Westberlin Sputnik das Licht der Welt. Er wächst auf zwischen den Geschichten seiner Mutter Sala und den Büchern seines Vaters Otto. Eine wichtige Lebensstation wird Paris, wo er nicht nur zur Schule geht, sondern Theater und Varieté für sich entdeckt. Die Rückkehr nach Deutschland fällt in eine Umbruchszeit auch der Theaterwelt der 70er Jahre. Eine wilde Phase des Experimentierens bricht an, bis Sputnik wie so viele vom Mauerfall 1989 überrollt wird. Und zu ahnen beginnt, wer er ist, oder zumindest, wer er sein könnte. In seinem dritten Roman begibt sich Christian Berkel erneut auf eine sehr persönliche Spurensuche, die bis in eine erschreckend veränderte Gegenwart führt. Weiterlesen »

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21:00 und 22:15 Uhr: Konzert des Synagogenchors unter Leitung von David Rees (je 30 Minuten), Begleitung am Piano: Luisa Pertsovska Weiterlesen »

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Montag, 3. November 2025, 19 Uhr

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Eine ukrainisch-jüdisch-moldawische Familie, lebt in Leipzig, wo sie russische Spezialitäten verkauft. Und zwar an Osteuropäer, die sich zwischen russischen Flusskrebsen, ukrainischem Wodka und georgischen Sonnenblumenkernen zuhause fühlen. Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nichts mehr wie zuvor. Die Mutter glaubt den Propagandasendungen des russischen Fernsehens. Ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Um seine Mutter zur Vernunft zu bringen, begibt er sich per Flixbus nach Kiew. Oder wie man inzwischen liest: Kyjiw, von wo er ihr die Wahrheit mitzubringen hofft. Weiterlesen »

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