Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Benno Neuburger

Mutiger und hellsichtiger Bürger

Benno Neuburger kommt am 4. März 1871 als erstes Kind des Grundstückmaklers Max Neuburger und dessen Frau Jette, geborene Levinger, in München zur Welt. Seine Schwester Bertha ist drei Jahre jünger.

Benno besucht die Realschule, absolviert eine kaufmännische Lehre und steigt beruflich in die Fußstapfen des Vaters. 1907 heiratet er die neun Jahre jüngere, aus Laupheim in Oberschwaben stammende Anna Einstein. Die Eheleute wohnen unter einem Dach mit Bennos Eltern in der Liebherrstraße 19/I im Lehel. Dort kommen auch ihre drei Kinder zur Welt: 1908 Fritz Martin, 1909 Johanna und 1914 Ernst, welcher nur wenige Tage alt wird.

Benno Neuburger wählt die Demokratische Volkspartei. Die liberale politische Einstellung, die er für sich selbst reklamiert, steht in erster Linie für Menschen- und Bürgerrechte, die vor allem auch gegenüber dem Staat die freie Entfaltung des Einzelnen garantieren.

Benno Neuburger und seiner Familie geht es wirtschaftlich viele Jahre gut. Doch durch die Inflation mit dem Höhepunkt im Jahr 1923, in dem weite Teile der Bevölkerung verarmen, verliert auch die Familie Neuburger einen Großteil ihres Vermögens. Am 10. November 1933 stirbt Bennos Schwester Bertha mit 59 Jahren.

Die Schikanen gegen die jüdische Münchner Bevölkerung nehmen ab 1933 stetig zu. Die meisten jüdischen Münchner verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Einkünfte, ihre Ersparnisse und zuletzt auch ihre Wohnung; viele versuchen auszuwandern. Neuburgers Tochter Johanna emigriert im September 1937 in die USA. Sohn Fritz folgt ihr ein Jahr später, kurz vor der „Reichskristallnacht“.

Vom 10. bis 25. November 1938 muss Benno Neuburger zusammen mit über 1000 jüdischen Münchnern die grausamen Haftbedingungen im KZ Dachau ertragen. Im Anschluss wird er gezwungen, sein Geschäft aufzugeben. Er und seine Frau wohnen schon seit 1936 in der Trogerstraße 44 in Haidhausen. Sie leben von der geringen Unterstützung, die ihnen ihre Kinder aus den USA zukommen lassen können. Das Haus Trogerstraße 44 wird 1939 zum so genannten „Judenhaus“ deklariert. Bis 1941 werden 45 Personen zusätzlich einquartiert. Die Menschen leben auf engstem Raum mit oft einander völlig fremden Menschen zusammengepfercht in Armut und Angst, hilflos dem entgegensehend, was auf sie zukommen wird.

Im Vorfeld der ersten Deportation aus München, im September 1941, beginnt Benno Neuburger mit seiner Protestaktion. Vom 20. September 1941 bis Ende Februar 1942 verfasst er 14 Postkarten und wirft sie – nicht adressiert – in Briefkästen. Auf den Postkarten stehen „grobe Beschimpfungen des Führers“, wie es in den polizeilichen Akten später heißen wird, und er prangert dessen Hetzreden an, die – hörbar für jedermann, der es hören will – auch die Ankündigung der „Ausrottung“ der Juden beinhalten. Neben wütenden Schmähungen des Diktators, wie „So ein Idiot war noch nie da so lange die Welt ist, so ein gemeiner“, oder „Bestie Mörder Strolch“, trifft er auf den Postkarten auch frappierend hellsichtige Aussagen.

So lauten die Anklagen auf der Postkarte am 20. September 1941: „Der ewige Massenmörder Hitler, Pfui!“, auf der am 21. November 1941 „Robespierre“.

Am 16. März 1942 wird das Ehepaar Neuburger in das Barackenlager in Milbertshofen eingewiesen. Acht Tage später wird Benno Neuburger verhaftet. Auf einer Postkarte war versehentlich Benno Neuburgers alter Firmenstempel aufgedruckt; so kann er als Verfasser ausfindig gemacht werden.

In der Anklageschrift steht:

„Den äußersten Anstoß hätten die gegen seine Rassegenossen getroffenen Evakuierungsmaßnahmen gegeben. Er habe, da er es als Mord ansehe, wenn kranke Juden in Judenheime oder in die Ostgebiete verbracht würden, die Bevölkerung darauf aufmerksam machen wollen, welches Leid der Führer dem Judentum zugefügt habe.“

Auf der neunten Postkarte am 23. Januar 1942, hatte Benno Neuburger auf die Vorderseite geschrieben: „Heil Terror Regierung der neue Gott“ und – noch bemerkenswerter – auf die Rückseite „Mörder von 5 000 000“. Im Urteil heißt es: „Zu der Postkarte Nr. 9 hat der Angeklagte die Aufklärung gegeben, daß in Europa 10 000 000 Juden lebten, von denen die Hälfte in der Gefahr der Ausrottung stünde.“

Benno Neuburger wird am 20. Juli 1942 vom Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt und zwei Monate später, am 18. September 1942 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet. Zum Zeitpunkt seines Todes ist er 71 Jahre alt.

Seine Ehefrau Anna Neuburger wird im Juli 1942 nach Theresienstadt und einen Tag nach der Hinrichtung ihres Mannes im Alter von 65 Jahren aus Theresienstadt in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet.

Der Sohn von Anna und Benno, Fred Neuburger, stirbt 1987 in Long Beach, Kalifornien, im Alter von 78 Jahren und hinterlässt seine Frau Kate sowie drei Kinder.

VeranstaltungenÜberblick »

April 2024 | Adar II-Nissan | « »

Aktuelle Veranstaltungen


So. 05.05.2024 | 27. Nissan 5784

Kultur

Gedenke und erinnere zu Jom Haschoah: Die Pianistin von Theresienstadt

Beginn 17:00

Sonntag, 5. Mai 2024, 17 Uhr

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lädt anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager und Erew Jom Haschoah ein:

Abend zum Gedenken an Alice Herz-Sommer (1903-2014)

Weiterlesen »

Alle Veranstaltungen »

Israelitische Kultusgemeinde
Kontakt
Israelitische Kultusgemeinde
München und Oberbayern K.d.ö.R.
St.-Jakobs-Platz 18
80331 München
Tel: +49 (0)89 20 24 00 -100
Fax: +49 (0)89 20 24 00 -170
E-Mail: empfang@ikg-m.de