Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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15. April 2015

Jom Ha’Shoa: Mehr Erinnerung = mehr Zukuft

Anlässlich des Jom Ha’Shoa, des jüdischen Gedenktags an die Opfer des Holocaust und die Widerstandskämpfer in den Ghettos, erinnert Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, an die gegenwartsrelevante Bedeutung des Gedenkens. „Mit wachsender zeitlicher Distanz zu den Ereignissen wird die Form und das Erklären von Erinnern immer wichtiger“, betont sie.

Knobloch: „In Deutschland ist zu beobachten, wie Geschichtsverdrossenheit und zunehmend unverhohlener Antisemitismus Hand in Hand gehen. Zugleich offenbaren die Phänomene um Pegida und Vorfälle wie in Töglitz, dass Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus auf dem Vormarsch sind. Diesen bundesweiten Trend belegen die Kriminal-Statistiken. Angriffe auf Flüchtlinge, Schändungen jüdischer Friedhöfe oder Hakenkreuzschmiererein sind längst alltägliche Vorkommnisse. Beunruhigender Weise fällt diese Stimmung auch in der breiten Mitte der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden. Das bestätigen sozialgesellschaftliche Studien wie die jüngst länderspezifisch analysierte „Mitte“-Studie. Wir erleben es auch in unserem Alltag, in dem wir immer öfter mit ungeniert artikuliertem Antisemitismus und Fremdenhass konfrontiert sind.“

„Ich hatte gehofft, dass in unserem Land, in dem das schrecklichste Verbrechen der Menschheitsgeschichte betrieben und zugelassen wurde, der Lernwille der Menschen größer ist und der Lerneffekt verbreiteter“, so die ehemalige Präsidentin der Zentralrats der Juden in Deutschland. „Das ist alarmierend.“ Knobloch fordert: „Wir müssen mehr Wert auf Demokratieschulung und respektvolles, menschliches Miteinander leben. Bei vielen jungen Menschen beobachte ich ein großes Interesse an der Vergangenheit. Dieses auf kluge und zukunftsorientierte Weise zu beantworten, ist entscheidend, damit sich Geschichts- und Verantwortungsbewusstsein künftig wieder stärker durchsetzen. Nur dann können wir der Zukunft hoffnungsvoll entgegenblicken.“

dazu: 

Zahl der Gewalttaten um 38 Prozent gestiegen

n-tv.de. Die Zahl antisemitischer Gewalttaten weltweit ist 2014 stark gestiegen. Zu diesem Schluss kommt das Kantor-Zentrum für die Erforschung des zeitgenössischen europäischen Judentums in Tel Aviv in einer am 15.4.2015 veröffentlichten Untersuchung. Demnach wurden im vergangenen Jahr 766 Fälle erfasst – 38 Prozent mehr als 2013. Dazu zählen auch Vandalismus oder Drohungen gegen jüdische Personen oder Einrichtungen.

Die meisten Angriffe gab es demnach in Frankreich (164). In Deutschland habe sich die Zahl 2014 mehr als verdoppelt (76 nach 36 im Jahr 2013).

Armut grassiert unter Holocaust-Überlebenden in Israel

sueddeutsche.de. Jeder vierte der in Israel wohnenden Holocaust-Überlebenden fristet sein Dasein unterhalb der Armutsgrenze. Dies belegt der Jahresbericht der Wohlfahrtsstiftung für die Holocaust-Überlebenden (FBHV), der vor dem israelischen Tag des Gedenkens an die Opfer der Shoah und des jüdischen Widerstands veröffentlicht wurde. Weitere aus diesem Anlass veröffentlichte Studien behandeln die Vererbung von Existenzängsten und den globalen Wiederanstieg antisemitischer Gewaltakte.

Der Erhebung zufolge haben 45.000 der insgesamt noch 189.000 Überlebenden in Israel monatlich weniger als die 3000 Schekel (712 Euro) zur Verfügung, die als Armutsgrenze definiert wurden. „Wir haben nur noch die kommenden fünf Jahre, um allen Überlebenden der Shoah ein Altern in Würde zu ermöglichen“, mahnte Stiftungspräsident Avi Dichter. Der Altersdurchschnitt der Betroffenen, zu zwei Dritteln Frauen, liegt aktuell bei 83,3 Jahren, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht. Gegenwärtig sterben jährlich fast 15.000 Überlebende des Holocaust.

Die hohe Armutsrate unter ihnen ist dem Umstand geschuldet, dass viele als einzige aus ihrer Familie den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten entkamen und sie in Israel oft ganz auf sich alleine gestellt waren. Der diesjährige Bericht zeigt auf, dass sich ihre Lage in den vergangenen zwölf Monaten weiter verschlechtert hat. 39 Prozent der Befragten sagten, ihre Finanzmittel reichten nicht bis zum Monatsende – im Vorjahreszeitraum hatten dies noch 31 Prozent angegeben. 30 Prozent der Holocaust-Überlebenden (zuvor 19 Prozent) lassen aus Geldnot Mahlzeiten aus, und 25 Prozent (zuvor 17 Prozent) müssen bei Medikamenten und Arztbesuchen sparen.

Neben der Geldnot leiden die Überlebenden auch an gesundheitlichen Problemen und Einsamkeit. Viele glauben, dass die künftigen Generationen nach ihrem Tod den Holocaust vergessen werden.

Einer anderen Studie zufolge neigen die Kinder von Holocaust-Überlebenden dazu, stärker als ihre Altersgenossen grundsätzliche Existenzängste zu entwickeln. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete von dieser kürzlich in der US-Fachzeitschrift Psychological Trauma veröffentlichten Studie des Forschers Amit Schrira von der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv. Demnach sehen die Nachkommen von Überlebenden der Judenverfolgung durch die Nazis „ihr Leben gefährdeter und die Welt eher als bedrohlichen Ort an“ als Gleichaltrige – beispielsweise haben sie deutlich größere Sorgen wegen des iranischen Atomprogramms.

Im vergangenen Jahr wurden weltweit 766 antisemitisch motivierte Gewaltakte bekannt, was einen Anstieg um 38 Prozent gegenüber 554 im Jahr 2013 registrierten vergleichbaren Taten bedeutet. Dies geht aus dem aktuellen Report des Kantor-Zentrums der Universität Tel Aviv hervor, der jährlich angesichts des Holocaust-Gedenktags veröffentlicht wird. In den letzten zehn Jahren ereigneten sich laut dieser Studie nur 2009 mehr antisemitische Gewaltakte.

Die Zahl bewaffneter Angriffe habe sich mit 68 Fällen gegenüber 2013 sogar verdoppelt, teilte Uni-Sprecherin Orna Cohen am Mittwoch mit. Die höchste Zahl antisemitischer Gewaltakte wurde wie in den Vorjahren in Frankreich registriert (164 gegenüber im Vorjahr 141). Den in absoluten Zahlen stärksten Anstieg verzeichnete das Kantor-Institut in Großbritannien (141 zu 95). In Deutschland verdoppelten sich demnach die bekannt gewordenen Fälle von 36 auf nunmehr 76. In Österreich wurden neun Taten registriert (gegenüber vier in 2013).

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