Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

Presse

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21. Juni 2015

Grußwort von Charlotte Knobloch anlässlich des Bürgerfests auf dem Jakobsplatz am 21.6.2015

Liebe Münchnerinnen und Münchner,
liebe Freunde,
hoch geschätzte Ehrengäste,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich über jeden, der heute hier ist, um zu feiern!

Liebe Anrainer am St.-Jakobs-Platz,
Sie möchte ich ganz besonders begrüßen. Liebe Nachbarn vom Angerkloster, vom jüdischen Museum, vom Stadtmuseum, vom Stadtcafé, vom Alten- und Service-Zentrum und von der Orag, ich möchte Ihnen allen von Herzen danken. – Und zwar nicht nur für Ihre Kooperation in Vorbereitung und Ausgestaltung dieses Festes, sondern für jeden einzelnen Tag, an dem wir hier am St.-Jakobs-Platz in bester, in allerbester Nachbarschaft miteinander leben.

Zu Beginn und während der Bauphase gab es Zweifel, ja auch kritische Töne und Ängste. – Aber schon bei der Eröffnung waren die meisten Zweifel verflogen und in kürzester Zeit wie-derlegte das täglich Miteinander die anfänglichen Sorgen.

Gemeinsam machen wir den Platz, einen der schönsten in München – zu einem besonderen Ort.

Mit dem jüdischen Zentrum wurde der St.-Jakobs-Platz zum neuen Hotspot in der City. Im ganzen Viertel pulsiert das Leben bis spät in die Nacht – tolerant, weltoffen, dynamisch – ein bisschen die nördlichste Stadt Italiens – wenn nicht gar ein kleiner Sprenkel Tel Aviv; und dabei so wunderbar münchnerisch.

Heute ist mehr als alles andere ein Tag der Freude und der großen Dankbarkeit!

Als wir anfingen, die Feierlichkeiten für den 200. Geburtstag der Israelitischen Kultusgemeinde zu planen, stand schnell fest, dass wir mit der ganzen Stadtgesellschaft gemeinsam feiern wollen. Für diese Idee und die hervorragende Umsetzung danke ich vor allem Ellen Presser. Sie haben nicht nur diese fantastische Eingebung gehabt, sondern Sie haben dieses Fest mit Hilfe Ihres Teams, dem ich sehr herzlich danke, großartig und mit sehr viel Arbeit und noch mehr Liebe umgesetzt.

Es sind Tage wie diese, die mich in meiner Liebe zu meiner Heimat bestätigen. Die mir zeigen: Es war alles richtig so – und gut. Es war richtig zu bleiben, es war gut zu vertrauen.

Daher ist für uns das doppelte Jubiläum der Israelitischen Kultusgemeinde in München – also der 200. Jahrestag der Gründung und der 70. Jahrestag des Neubeginns nach dem Holocaust – Anlass, um mit allen Bürgerinnen, Bürgern und Gästen unserer Stadt zu feiern.

Wir wollen das Miteinander feiern, das Leben – die Freiheit und die Demokratie. – Denn all das war vor 200 Jahren in der Form, die wir heute erleben dürfen, in den kühnsten Träumen nicht zu ahnen.

Es war ein sehr langer Weg, gerade für die jüdische Gemeinschaft, die sich zwar 1815 grün-den durfte, die aber noch weit entfernt von Gleichstellung und Gleichberechtigung war.

Bereits 1813 erließ Graf Montgelas das sogenannte Judenedikt. Aufgrund des heftigen Wi-derstands der Bürger fiel es restriktiver aus als geplant und es dauerte noch zwei Jahre bis zur Gründung der Gemeinde im Jahr 1815.

Schon wenige Jahre später beweist die Anwesenheit von König Ludwig I. bei der Einweihung der ersten Synagoge in der Westenrieder Straße im Jahr 1826 die große Bedeutung der kleinen jüdischen Gemeinschaft in Bayern.

In der unwiederbringlichen Blütezeit des Judentums bis in die frühen 1930er Jahre haben jüdi-sche Menschen das Bild Münchens und die Fortentwicklung Bayerns entscheidend mitgestaltet.

Herausragende jüdische Persönlichkeiten leisteten einen wesentlichen Beitrag in Wissenschaft, Kunst, Kultur, Wirtschaft, Politik und Gesellschaftsentwicklung – denken Sie nur an die Fa-milie Schülein von der Löwenbräu-Brauerei, an Kurt Landauer und „Little Dombi“, die den „Stern des Südens“, den FC Bayern das erste Mal haben aufgehen lassen.

Denken wir an die Familien Aufhäuser, Bernheimer, Feuchtwanger, Pringsheim oder Uhlfel-der, an den Chemiker und Nobelpreisträger Professor Richard Willstätter  oder Schauspieler wie die große Therese Giehse. Und schließlich war es der Jude Kurt Eisner, der als erster Mi-nisterpräsident einer bayerischen Demokratie in die Geschichte einging.

Diese Biografien und viele weitere sehen Sie in der Ausstellung auf dem Platz – auch hierfür gilt mein Dank Ellen Presser. Die Schauwände zeugen von der tiefen Verwurzelung des Ju-dentums in Bayern – von der engen Verflechtung der jüdischen und bayerischen Kultur über die Jahrhunderte hinweg. Sie zeugen von unserer gemeinsamen Geschichte und Tradition – in der Vergangenheit und der Gegenwart.

Dieses feste Band wurde durch die hasstriefende Ideologie der Nationalsozialisten zerstört.

Als mein Vater, Fritz Neuland, und seine Wegbegleiter vor 70 Jahren die Gemeinde wieder gegründet haben, wenige Wochen nach Kriegsende, war das Ausdruck ihrer unbeirrbaren Hoffnung und ihrer unerschütterlichen Heimatliebe.

Es war zugleich ihr auf wundersame Weise nicht zerstörter Patriotismus, der diese Menschen, die grausamste Unmenschlichkeit erlitten hatten, dazu veranlasste, die Zukunft ihres Landes mitzugestalten.

Heute hat das Judentum in unserem Land wieder eine Zukunft. Und die prägen wir hier in München ganz wesentlich mit.

Die ersten Jahrzehnte nach dem Holocaust lebten wir zurückgezogen. Es hat lange gedauert, ehe das feste Band von einst wieder geflickt werden konnte. Erst Anfang des neuen Jahrtau-sends schlüpften wir aus dem Kokon. – Unser Umzug aus dem Hinterhof hierher an den Ja-kobsplatz war eine Initialzündung für die jüdische Gemeinschaft in der gesamten Bundesre-publik – das Symbol der Heimkehr der deutschen Juden.

Mein großer Wunsch ist Normalität. Und wir sind auf dem besten Weg dorthin. Auch wenn wir immer wieder Antisemitismus und Vorurteile erleben, überwiegen doch die positiven Er-lebnisse – wie wir sie heute gemeinsam erfahren dürfen.

Wir fühlen uns wieder willkommen, wir fühlen uns wieder heimisch. Wir fühlen uns wieder geborgen. Wir sind angekommen – im Herzen der Stadt – und somit immer mehr auch in den Herzen und den Köpfen der Menschen.

Mit diesem Bürgerfest möchten wir gemeinsam mit Ihnen und der ganzen Stadt feiern – damit dieses feste Band, das uns wieder verbindet, nie mehr reißt.

Die gemeinsame Geschichte eint uns – auch die dunklen Kapitel. Das Vergangene darf nicht zwischen uns stehen, sondern muss uns in unserem Miteinander bestärken.

Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, hier am Jakobsplatz nicht nur heute, sondern täglich Nachbarschaft und Freundschaft zu leben. So darf ich mich abschließend noch einmal bei allen Unterstützern der letzten Jahre bedanken.

Speziell bei unseren Anrainern, die sich auch heute kreativ in die Gestaltung dieses Festes ein-gebracht haben – und beim Kulturreferat und Herrn Dr. Küppers. Ich danke den vielen ideel-len und finanziellen Förderern und all jenen, die sich nicht nur heute als Freunde und Partner erweisen.

Liebe Münchnerinnen und Münchner,
Tage wie dieser bestärken uns jüdische Münchner in der Liebe zu unserer Heimat. Unsere Gemeinde war und ist fester Bestandteil dieser Stadt – wir alle sind München. Vielen Dank für Ihr Kommen. Ich wünsche Ihnen noch viel Spaß und schönes Fest und alles Gute.

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