Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern

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6. März 2015

Charlotte Knobloch: „Höchste Zeit für eine Strategie gegen Antisemitismus“

München, den 06.03.2015. In der öffentlichen Diskussion über die antisemitische Bedrohung in Deutschland waren sie in den letzten Wochen etwas aus dem Blickfeld geraten. Doch nun bestätigt die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage von Bündnis90/Die Grünen: Der antisemitische Hass von Rechtsextremisten ist eine massive Gefahr für Juden. Der weit überwiegende Teil der im Jahr 2013 registrierten antisemitischen Straftaten – 1218 von 1275 – geht auf ihr Konto.

„Die Zahlen sind nur ein Teil der Wirklichkeit“, so Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. „Nazis bleiben eine große Gefahr für Juden. Ihr Hass ist nicht verschwunden, nur weil der Antisemitismus der Islamisten gerade mehr Schlagzeilen macht. Juden sind heute antisemitischen Anfeindungen von vielen Seiten ausgesetzt. Das meiste taucht ja gar nicht in Statistiken auf. Es ist höchste Zeit für eine groß angelegte Strategie und Maßnahmen gegen Antisemitismus.“ 

Viele Juden registrierten in den letzten Jahren, so Knobloch, dass antisemitische Sprüche und Pöbeleien bis in bürgerliche Kreise hinein wieder salonfähig geworden seien – oftmals getarnt als Kritik an Israel und Protest gegen den Nahost-Konflikt. Charlotte Knobloch: „Hier werden deutsche Juden unter Rückgriff auf die alten Stereotypen pauschal für israelische Politik verantwortlich gemacht und angegriffen. Eine Differenzierung findet nicht mehr statt. Oft wird dann allen das Existenzrecht abgesprochen: dem Staat Israel und den Juden insgesamt.“

Bedrohungen und Übergriffe von jungen Muslimen seien bittere Realität. Das zeige nicht nur das Beispiel Berlin, sondern auch der erzwungene Rücktritt des jüdischen Offenbacher Stadtschülersprechers Max Moses Bonifer. Erst jüngst bescheinigte eine Studie der TU Berlin der Hauptstadt einen alltäglichen Antisemitismus: „Distanzierungen, Vorbehalte bis hin zu Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden gehören in dieser Stadt, wie in anderen auch, zum Alltag,“ heißt es in der Studie. Und die Forscher wissen: Die Statistik des Landeskriminalamts ist nur bedingt aussagekräftig. Sie gehen deshalb von einer Dunkelziffer „wohl deutlich über dem statistisch erfassten Ausmaß“ aus.

Und: Immer wieder werden antisemitische Straftaten nicht als solche bewertet. Zum Beispiel der Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal im letzten Sommer. Im Prozess behaupteten die Täter, mit der Tat auf den Nahost-Konflikt aufmerksam machen zu wollen – und wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Gericht sah keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat. Charlotte Knobloch: „Das macht mich fassungslos: Wenn ein Anschlag auf eine Synagoge nicht antisemitisch ist, was ist es denn dann? Braucht es erst Opfer?“

 

 

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